Montag, 20. Dezember 2010

Materialsportler Teil 2

Hab ich schon erwähnt dass sich meine Super-Sportlerin eins von diesen Mountain-Bikes zugelegt hat - für den Fall dass sie auf Triathlon umsteigt. Das Ding war ein echtes Schnäppchen. Nur etwas mehr als 500 Euronen - ein Rehimport aus Frankreich. Wenn überhaupt jemand etwas von Rädern versteht, dann die Franzosen ... sagt sie.

Ich tippe mal darauf, dass sie es keine 5 mal benutzen wird. Aber gut, wir wollen nicht unken - wo wir selbst doch eher unsportlich sind.

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Mittwoch, 1. Dezember 2010

Ein Sanitäter und ein Rettungsboot ...

Was für eine Trainingsstunde. Binnen zwei Minuten hat Daniel raus, dass ich am Abend vorher ein Date mit einem Whisky hatte. Wie macht der das? Rennt los, ich halte wie immer nicht mit und fragt gleich: "Hast Du gesoffen, gestern?“ Was soll ich da sagen? Im Kopf spiele ich in Sekunden die Möglichkeiten durch, die ich habe:

1.    Gekonnt lügen - das kriegt er raus - nich' gut.
2.    Ein bisschen lügen: Zugeben, dass man etwas getrunken hat vielleicht beim Bier geblieben ist. Gibt zwar auch einen Anschiss, geht aber schnell vorüber.
3.    Oder die brutalstmögliche Wahrheit: Hallo zusammen. Ich bin die Evelyn und habe gesoffen. Es tut mir leid, ich schäme mich … macht zwar einen ehrlichen Eindruck, hat aber beim Koch damals jetzt nicht wirklich gut funktioniert.

Ich habe mich für die Wahrheit entschieden und was soll ich sagen: auch keine tolle Idee. Die ganze Trainingsstunde, exakt 57 Minuten lang, hat mich mein Drill-Sergant nach Strich und Faden abgemistet.

Sofort erkundigt er sich, was ich getrunken habe. Ok, etwas Whisky, gebe ich todesmutig zu. Gleich wird nachgesetzt: wie viel? Und da war dann Schluss. Das geht ihn ja nun mal gar nichts an. Sind ja hier nicht bei den AAs.

Das hat mich aber nicht vor einem erneuten Vortrag gerettet, warum Alkohol schlecht für mich ist. Es hemmt den Fettabbau, hemmt den Muskelaufbau und hat viele Kalorien, die sich sofort auf die Hüfte setzen. Weiß ich doch alles. Aber nett, dass er es nochmal erwähnt hat. 

Wobei ich völlig durchdrehen könnte ist seine Frage, warum ich denn überhaupt Alkohol getrunken habe. Na, weil es vielleicht Spaß macht? Aber das kann so eine Renngräte einfach nicht verstehen. Diese Typen, die ihr ganzes Leben in Selbstkasteihung und äußerster Disziplin abarbeiten sind eben anders gestrickt - anders als ich auf jeden Fall. Weil ich mangels Puste keine Lust auf eingehendere Diskussionen verspüre, komme ich mit den üblichen Ausflüchten: Stress im Job, ausbleibende sportliche Erfolge … und die ganze Litanei.

Daniel kontert treffsicher, das kommt davon, wenn man beruflich zu viel Stress zulässt, zu viel auf Reisen ist, sich dort ungesund ernährt mit lauter süßen Sachen, Zuckergetränken ausladenden Abendessen, keinen Sport macht ... und so weiter, den ganzen Sermon. Für den sportlichen Erfolg müsse man eben halt was tun. Lange Läufe! Alle zwei Wochen mindestens ein langer Lauf. 

Ich hasse ihn, wenn er so vom Leder zieht. Erstens mache ich relativ viel Sport, nur weiß er das nicht, weil er konkret die Wochen-Kilometer und meine Sporteinheiten gar nicht abfragt, und zweitens kann ich mich mit diesen langen Läufen auch noch nicht anfreunden. Lange Läufe tun weh und wenn ich dann mal einen mache, laufe ich ja nach seiner Ansicht sowieso falsch! Entweder zu langsam oder zu schnell, so wie es gerade passt. Irgendwas zu meckern findet er immer.

Mein Einpeitscher hat doch eine ganz passable Teil-Analyse hingelegt. Und nun, Trainer? Nich weglaufen ! Jetzt fängt doch das Coaching erst an !!! 

Und das geht definitiv nicht einfach mit den Worten: "Du musst…“ 

Immerhin hat er Motivationshilfe angeboten - nein das ist das falsche Wort - er hat verlangt, wenn ich das nächste Mal vor einem Whisky sitze, möge ich ihn gefälligst anrufen. Dann würde er mir schon erzählen wo Bartels den Most holt. Na, das werde ich vielleicht eines schönen Tages wirklich mal tun und wenn es nur dazu dient herauszufinden, wie er mit so einer Situation umgeht. - Aber vielleicht hilft es ja auch ... wer weiß.

Unter Sauerstoffunterversorgung hat er mir ein Versprechen abgepresst. In dieser Situation hätte ich alles unterschrieben - und das Schlimmste: morgen muß ich "Nachsitzen“. Weil ich heute so schlecht war, muss ich morgen gleich wieder auf die Piste. Ist das nicht peinlich ?

Aber auch heute hab' ich wieder dazugelernt: nie wieder Alkohol vor einem Tempotraining mit Daniel und wenn schon, dann wenigstens gekonnt lügen.

Sind Trainer per se' eigentlich nett ?

Da antworte ich mit einem entschiedenen NEIN !!!! 

Zu Beginn jeder Trainingseinheit gibt es zwar kurz einen Begrüßungs-Bussi, aber dann mutiert ein Trainer vom "netten Typen“ zum "Menschenschinder". Man hat sich noch gar nicht ganz gesammelt oder ist noch nicht einmal richtig angezogen, da wird schon mit den Füßen gewippt, hochmütig gelächelt und die ersten dummen Sprüche kommen: "Das ist keine Kaffeefahrt" oder "Langsam kannst Du später".

Ehe man sich versieht, ist man am Rennen. Binnen fünf Minuten ist der Puls im oberen Entwicklungsbereich am Übergang zur anaeroben Schwelle und ich atme wie ein Walross. Und dann geht es richtig los: "Wieso läufst du so schnell los?" Dabei laufe ich immer einen Schritt hinter meinem Lieblingstrainer… Und dann kommen die ersten Fachfragen zur Prüfung, ob man auch immer schön zugehört hat, wird z.B. gefragt. Dabei habe ich existentiell mit dem Atmen zu tun. Da bleibt wenig Zeit zum Zuhören, geschweige denn habe ich freien Speicherplatz im Zugriff.

Das erste was so ein Trainer voll drauf hat ist, seinen Athleten fix und fertig zu machen. Im ersten Jahr meines Trainings habe ich immer noch gegen gehalten. Völlig Sinnlos. Das endet meist mit einem Streit und der Kerl hat einfach mehr Luft als ich.

Ich habe lange gebraucht zu begreifen, dass ein Trainer immer Recht hat. Da bin ich als Führungskraft ja sowas von besser! Poah! Ich habe zwar auch meistens Recht, aber meine Mitarbeiter haben wenigstens das Gefühl, dabei mitgeholfen zu haben - glaub' ich...

Ein Trainer ergötzt sich meist daran, Macht zu demonstrieren, Macht über ein armes Schwein - wie mich zum Beispiel. Am Schlimmsten sind seine dezenten Hinweise, wenn ich so gar nicht mehr kann: Füße hoch, Rücken gerade, atme anständig… Ihr größter Spaß aber ist es, den Athleten völlig darüber im Unklaren zu lassen, wie viel von der Trainingseinheit schon um ist und wie lange sich die Quälerei noch hin zieht und vor allem, mit welchen zusätzlichen Schweinereien (Bergauf, Crosslauf etc.) noch zu rechnen ist.

Verspüre ich zuweilen mal Lust einen kleinen Spurt einzulegen, rächt sich das gleich, weil der Trainer es gar nicht mag, wenn außer ihm noch jemand anderes denkt er hätte was zu sagen.. dann wird mit Vorliebe z.B. am Ziel vorbei gelaufen und dann gibt es noch eine Zusatzrunde, weil man ja offenbar noch Reserven hat. Wie man es auch macht: Es ist auf jeden Fall falsch!

Ein Trainer kann seinen Tag nur dann überstehen, wenn er gleich zu Anfang seinen Athleten psychisch fertig macht und dieser sich am Ende der Trainingseinheit als mentales und körperliches Wrack verabschiedet. "Bis nächste Woche" setzt der Trainer dann noch eins drauf. Ja ja…

Das Schlimme ist, dass ich auf diese Art menschlichen Umgangs so allergisch reagiere. Aber ich werde sportlich besser dabei. Richtig verstehen kann ich das zwar nicht. Ich versteh weder die Funktionsweise dieser Kasernen-Taktik, noch wieso trotzdem ein Ergebnis feststellbar ist. Vielleicht sollte ich das auch mal bei meinen Mitarbeitern ausprobieren... Guten Morgen Ihr Luschen! Zur Sachbearbeitung in Dreierreihen angetreten! Präsentiert den PC!

Andere Menschen (Männer vielleicht) mögen dann ja nach Hause fahren und nach dem Duschen ist alles wieder gut. Ich habe dann erst einmal Tage lang Selbstzweifel zu verdauen. Habe ich vielleicht wirklich etwas falsch gemacht? Warum war ich so schlecht? Das wird nie was! So Frauenzeugs eben...

Sie fragen sich, warum ich überhaupt noch dabei bin und mich derart schinden lasse? Das ist mein verdammter Ehrgeiz! Ich will diesen Scheiß-Marathon laufen, und zwar sauber unter 6 Stunden mit etwas Luft nach vorn.

Ich habe gerade wieder meinen Trainer im Ohr: "Nach der Leistungsdiagnostik und deiner Fitness kannst du  das auch" - schaun mer mal ...
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