Mittwoch, 6. April 2011

Der JoJo-Effekt

Seit Monaten geht das nun schon so: 4 Kilo rauf, 4 Kilo runter, 4 Kilo rauf, 4 Kilo runter…

Wir haben jetzt April 2011 und ich trage immer noch das gleiche Gewicht mit mir rum, wie vor einem halben Jahr. Mein Trainer dreht regelmäßig durch und stellt mir die unsensibelste Frage, die man einem Adiposito nur stellen kann: "Warum machst Du das?"  "Na, keine Ahnung", antworte ich nur - und jetzt kommen wir zu den Ursachen:

Mein Arbeitgeber befindet sich in Fusion. Seit Januar gibt’s bereits reale Fusionsprojekte und jeder Straßenköter in diesem Laden versucht seine Pissmarken zu setzen und sich möglichst einflussreich zu positionieren - zum Wohle der Firma natürlich - und natürlich auf Kosten anderer, z.B. auf Kosten meiner Nerven!

Seit Oktober 2010 redet mein Chef nicht mehr mit mir und mit den 12 anderen Kollegen/Innen auf gleicher Hierarchieebene auch nicht. Uns Allen geht es richtig mies. Systematisch kalt gestellt und mit minimierten Befugnissen bin ich von heut auf morgen mit meinem Potential nicht mehr gefragt. Und das mir, die 30 Jahre lang nichts wichtigeres kannte als ihren Job. Von meinen 20 Hochzeitstagen habe ich höchstens 5 mit meinem Mann zusammen verbracht, weil ja der Job so wichtig war. Ich bin ja sowas von blöd !!!

Diese Situation kann ich nicht gut ertragen. Ich schlafe schlecht, mache mir Sorgen und bin richtig unglücklich. Und was macht ein Adiposito wenn er unglücklich ist? Er frisst und säuft. Tja mein Trainer, ich weiß, davon wird es auch nicht besser, aber ich bin nun mal so konditioniert.

Nur mal so ein kleines Beispiel: ich habe eine von diesen entsetzlichen Sitzungen in Düsseldorf bei meinem neuen Vorgesetzten (ein 54 jähriger pubertierender Waschlappen). Wohl gemerkt: 4:00 aufgestanden, 5:00 in Hamburg losgefahren, um 10:30 in Düsseldorf, Sitzung bis um 17:00 und anschließend nach Hause fahren. 21:30 = Home, sweet Home! Den ganzen Tag über praktisch nur gesessen. Und völlig frustriert. Anstatt nach der Sizung einfach eine Runde laufen zu gehen... Nee - fehlt mir dann völlig der Antrieb. So viel Abstand habe ich einfach nicht zu meinem Job. Solche Erlebnisse werfen mich völlig aus der Bahn.

Dabei bereite ich solche Tage strategisch immer gut vor, wenn es irgend geht. Morgens einen Quark zubereitet, Obst eingepackt (sogar 2 Apfelsinen geschält und eingetuppert). Na ja, ok, das Obst habe ich als "Hasenobst" wieder mit nach Hause gebracht. Sowas putzt mein Mann dann am nächsten Tag weg.

Vor der Heimreise noch kurz tanken und auf der Tankstelle erst einmal Süßigkeiten einkaufen! Impulsware - im Kassenbereich reagiert der Kunde immer besonders impulsiv. Katzenpfötchen, Gummibärchen, Mars und Bounty, 1 Cola, 1 Liter Altbier für zu Hause und Kekse. Nachdem ich das Altbier im Kofferraum verstaut und meine Kalorien-Beute auf dem Beifahrersitz abgelegt habe, drücke ich die Homing-Taste - und: esse während der ganzen Fahrt nichts, aber auch gar nichts von diesem Schrott, weil mich mein schlechtes Gewissen quält. Das allerdings spurlos verschwindet, als ich mit einem Mörderhunger bei Mac Donalds Station mache und mir einen Hamburger Royal TS mit Cola, Pommes und Mayo (die große Portion natürlich) und danach noch einen Mac Fisch obendrauf reinziehe. Fast wie Sex, nur leider noch schneller zu Ende! Und immer still schimpfend auf diesen unerträglichen Menschen, der jetzt mein Chef ist. Erklärungsansatz: hat mein Vater doch selbst Schuld wenn ich kalte Finger habe. Warum kauft er mir keine Handschuhe!

Frisch gestärkt fahre ich weiter und am nächsten Rastplatz halte ich zur Strafe gleich noch mal an und kaufe ein Eis – legger, so als Genussmensch! Na ja, und auf dem langen Weg nach Hause mache ich mich dann successive doch über das Dreckszeugs auf dem Beifahrersitz her - bis mir schlecht wird. Zu Hause angekommen, teile ich das Altbier noch mit meinem Mann und - obwohl schon völlig überfressen - falle ich noch über eine Dose Würstchen her, die ich noch im Kühlschrank entdecke. Schlanke Menschen haben für solche Excesse natürlich kein Verständnis, mit ihrer Scheiß Disziplin. Von meinen Whiskys an diesem Abend erzähl ich lieber gar nichts erst...

Woody Allen hat in den 70iger Jahren in seinem Film "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten" eine interessante eigene Theorie vorgestellt, die erklärt wie es zu solchen Excessen kommt. In besagtem Film gibt es eine Szene, die aus Sicht eines jungen Mannes ein Date mit einer schönen Frau zeigt. Gezeigt wird das Innere seines Gehirns mit weiss gekittelten Männern, die ihre Checklisten abhaken und hunderte  Kontrollampen, die leuchten und flackern, wenn er gerade viele Reize empfängt. So ungefähr geht es mir beim Essen. Hunderte Lampen gehen dann in meinem Gehirn an, flackern und leuchten und zeigen die Reizüberflutung mit Essensinformationen - wer will da schon, dass das aufhört?


Tja, solche Anfälle habe ich in letzter Zeit öfters. Kein Wunder, dass ich nicht abnehme. Sag ich doch. Da brauch ich auch keine Monologe von meinem Trainer. Bloß wie krieg ich jetzt wieder die Kurve?

Mein Coach (ich hab ihn ja echt gern) hat das Talent, gerade dann anzurufen, wenn ich gerade am Essen bin oder gerade mein Bier bestellt habe. Zum kotzen! letzte Woche zum Bleistift. Es ist Mittwochabend 21:45 Uhr. Ich habe gerade meinen ersten Bissen vom Abendessen im Mund: "Was isst Du da? Es ist 22:00 Uhr. Da isst man nichts mehr!" höre ich ihn übers Telefon blaffen. Die Frage, was ich essen würde, habe ich vorsichtshalber gar nicht erst beantwortet. Ungelogen: eine halbe Stunde Referat musste ich über mich ergehen lassen. Mein Argument, dass ich ja erst um 21:30 Uhr vom Sport komme (nach 2 Stunden Hardcore-Cycling), lässt er nicht gelten. Ich solle vorher essen (so’n quatsch; wer macht denn so was?).

Aber das allerbeste was er vom Stapel lässt ist: "Man isst nicht wenn man Hunger hat, man isst wenn es dran ist".

Genau so hab ich mir das vorgestellt. Deshalb hat mein Coach auch kein Verständnis dafür, dass ich manchmal erst um 16:00 das erste mal am Tag etwas esse. Herr Trainer geht ja nie ohne Frühstück aus dem Haus. Der ist sogar so durchgeknallt, dass er vor einem Wettkampf um 4:00 morgens im Hotelzimmer kalte Nudeln mit Ketchup isst. Was für ein Leben - und ich kenne solche Leute und rede auch noch mit ihnen!

Entrüstet  sage ich mein Training für den nächsten Tag stand de pede ab. Ich simse noch gleich hinterher, dass ich keine Lust habe mit ihm zu Laufen - keine Lust, mir schon wieder Vorträge anzuhören und Nackenschläge einzustecken. Soll er doch alleine laufen, die Gräte.

Aber eines ist mir nach eineinhalb Jahren Training mit Daniel ganz klar: Er wird nie einen dicken Menschen je verstehen. Natürlich hat er Recht - sag ich ja gar nichts gegen. Aber Recht haben ist ja wohl nicht alles, oder?

Tatsache ist auch, dass er bei mir mal wieder einen wunden Punkt getroffen hat. Er hat es zumindest geschafft, mich aus meinem Selbstmitleid zu reißen – der Sack. Ich bin wieder am Ball. Ich werde doch wohl diese letzten lächerlichen 17 Kilo noch abnehmen können!

Schaun 'mer mal …
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Dienstag, 5. April 2011

Nach dem Marathon ist vor dem Marathon

Leider hielt mein Grinsezustand nur 3 Tage an. Dann setzt  mir mein Job dermaßen zu, dass nichts mehr bleibt von der schönen Euphorie. Ohne Kollegen und ohne Chef wäre das Leben sowas von entspannt ..

Drei Wochen nach meinem erfolgreichen Marathon trete ich zum letzten Wettkampf der Winterlaufserie an - mit konkreten Zeitvorgaben vom Trainer natürlich. Ich soll die 10 km in 1:10 laufen. Ich sage zu, weil ich weiß: mein Coach hat sie manchmal nicht mehr alle beisammen. Ich kann unmöglich ohne Support 10 km in 1:10 laufen! Wann begreift er das mal.

Der Coach selbst weilt zu diesem Zeitpunkt auf Sylt und tut sich diesen verrückten 33,33 km-Lauf an. Also muß ich zu nachtschlafender Zeit allein los (aber nicht ohne Frühstück). Bin echt gespannt, was das wohl wird ..

Was soll ich sagen - persönliche Bestzeit! 10,2 km in 1:12. Die 10 km schaffe  ich also in 1:11. Bin nur gerannt. Hab mich an die Fersen anderer Läufer geheftet und sie Stück für Stück abgearbeitet - die Luschen. Schade, dass die meisten nur 5 km laufen. In der 2. Runde habe ich deshalb lange Leerlauf bis das nächste Opfer vor mir auftaucht. Man, was bin ich stolz. Ich bin überzeugt, mein Trainer auch. Auf jeden Fall wird er die Zeiten im Internet kontrollieren .. (wehe, wenn nicht!)

Hab' ich das schon erwähnt? Heute ist wieder ein 10 km-Lauf - und ich hab' nur 1:12 gebraucht. Wahrscheinlich wegen des Dauer-Regens schlug allerdings wieder dieser Anfängerfehler durch: Vom Start weg in der Masse mitlaufen und natürlich viel zu schnell. Aber ich mache mir jetzt wieder mehr Sorgen darüber, was wohl die Leute denken, wenn ich als Schlußlicht ins Ziel trotte. Tja, so ist das bei den Mädchen ..

Auf dem Nachhauseweg simmse ich meinem Trainer, dass ich momentan richtig glücklich bin die nächsten Monate keine langen Läufe mehr machen zu müssen. Scheiß Thema. Hätt ich bloß nix gesagt. Natürlich sieht der Coach das mal wieder ganz anders. Ich hasse ihn!
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Montag, 4. April 2011

Mein erster erfolgreicher Marathon

.. Ende November - Tempotraining mit Daniel, dem Einpeitscher: Morgens um 6:30 Uhr in völliger Dunkelheit und Arscheskälte. Aus der Hüfte geschossen fragt er mich, wie es denn nun endlich mit einem netten kleinen Marathon wäre. Ich presse gequält hervor (während des Tempotrainings immerhin!), dass der Hamburg Marathon erst im Mai anstünde. Da rückt er damit heraus, dass Hamburg für mich noch nicht in Frage käme. Ich solle erst einmal woanders laufen und er hätte da schon mal was vorbereitet (is ja wie im Maggi Kochstudio).

Es stehen drei Marathons zur Auswahl: Ende Februar in Kiel, Anfang Mai in Hannover oder Ende Mai in Stockholm. Ich habe die freie Auswahl. Na gut, nuschele ich gequält, Hannover geht nicht, da sind zu viele Kollegen und Stockholm geht auch nicht, da verstehe ich die Sprache nicht. Bleibt also nur Kiel. Aber das sind ja nur noch 3 Monate !!!!

Vermutlich um mich zu beruhigen, verspricht Daniel, den Marathon mit mir zusammen zu laufen. Na, das ist doch was - aber kann er überhaupt 7 Stunden am Stück durchgehend laufen? Normalerweise ist er doch immer nach 2 einhalb Stunden fertig ...

Also ab in die Trainingsvorbereitung! Mindestens 2 lange Läufe im Monat, 60 km pro Woche - ist ja bald vorbei, Mädel. Ich wollte doch nur einmal im Leben einen Marathon laufen und dann bin ich diesen Quälgeist wieder los (dachte ich). Ich weiß noch, wie ich Heiligabend durch ein sibirisches Schneegestöber 25 km gelaufen bin. Während andere festlich gekleidet in ihren Autos sitzen und zu Stollen und Gänsebraten fahren, kämpfe ich mich durch Hamburgs winterliche Schneelandschaft. Würde zu gerne wissen, vor was die Kenianer so erfolgreich weglaufen. Gibt es in Kenia eigentlich Schnee?

Mehrmals habe ich mit meinem Trainer exessiven Lauf-Vorbereitungs-Streit. Insbesondere über die Zielzeit. Ich alpträume natürlich wieder davon, dass bereits abgebaut wird, wenn ich im Ziel ankomme. Mein Trainer rastet bei solchen Gedanken neuerdings richtig aus. Nun habe er extra einen Marathon herausgesucht, bei dem es keine zeitlichen Limits gibt und ich rede schon wieder davon, was ich es nicht schaffe. Er hat es aber auch manchmal schwer mit mir. Immerhin nehme ich mir vor, die Leistungsdiagnostik diesmal nicht anzuzweifeln.

Eine Woche vor dem Start nochmal zu Heiko, dem Leistungsdiagnostiker. Er hängt mich an Schläuche und Messgedöhns und berechnet den Marathonpuls. Was es heut' nicht alles gibt! Sportmediziner mit gerätegestützter Kaffeesatzleserei - Wahnsinn! Er gibt mir einen Zettel für Daniel mit, auf dem er weissagt, ich könnte den Marathon zwischen 5:05 h und 5:12 h laufen. Der hat doch wohl den Schuss nicht gehört! Um mir Vorträge zum Thema 'Blut lügt nicht' zu ersparen, kommentiere ich das nicht weiter. Was ist bloß aus mir geworden. Vom militanten Basis-Demokraten zum Mitläufer. Politisch ein absolutes NoGo - sportlich aber weniger anstrengend.

Wenigstens bin ich diesmal nicht krank. Nicht mal Durchfall - niente, nada! Körperlich bin ich anscheinend schon gestählt. Neuerdings mache ich zusätzlich noch Mentaltraining. Das darf man eigentlich niemandem erzählen. Fragen Sie mich nicht, wie das funktioniert - Scheint aber auch zu helfen. Jedenfalls laufe ich jetzt noch besser neben meinem Trainer her als früher. Und ich bleibe auch nicht mehr so oft stehen und schimpfe: wozu das alles? ich hör auf mit dem Scheiß! ich kann das nicht!... kommt nicht mehr über meine Lippen.

Zwei Tage vor dem Start ruft mich der Trainer an und eröffnet mir, dass er leider für diesen Lauf ausfällt. Er sei gerade bein Laufen 'umgeknickt'. Na auf sowas falle ich doch nicht rein! Ich gebe ihm zu verstehen, egal was passiert, ich laufe diesen Marathon, mit oder ohne ihn. Manchmal habe ich aber auch eine große Klappe!

Am Abend vor dem Marathon werde ich höchstdarselbst angewiesen, morgens um 7:00 Uhr pünktlich Nudeln mit Ketchup zu essen. Ich bin dann tatsächlich noch einmal losgefahren, um Ketchup einzukaufen. Wie eklig!

Gut geschlafen (ich gönnte mir abends noch 2 Weizenbier) und aufgeregt wie ein Teenie vorm ersten Date, starte ich am Samstagmorgen Richtung Kiel. Selbstverständlich kann ich zu dieser Zeit noch keine Nudeln runterwürgen. Immerhin schaffen es dann 2 Toasts mit Honig bis in den Magen. Das muss langen. Daniel ist pünktlich und holt mich ab. Auf der Fahrt nach Kiel wird mir immer mullmiger. Ich versuche die Atempausen von meinem Trainer, der ununterbrochen redet, zu nutzen, um etwas zu entspannen. Wer ist hier eigentlich aufgeregter? Wenn das doch bloß alles erst einmal vorbei ist! Daniel rechnet mit einer Zielzeit von 5:17 - Träumer!

Das Wetter meint es gut mit mir - obwohl der Kachelmann immer noch fehlt. 2°C - es ist tronnig und Socken. Gut für Daniel. Kann er wieder seine gelbe Läufer-Sonnenbrille aufsetzen. Ist das cool, man. Nicht dass Sie denken Sportler geben mal so eben 250 Euronen für nix aus. Das muss dann schon eine ganz besondere Rennbrille sein - die Rolex unter den Läufer-Brillen!

Insgesamt 204 Läufer gehen an den Start. Vor uns sind die 10 km-Läufer bereits unterwegs. Eine Stunde nach uns kommen die Halbmarathonis. Es ist ein 10 Kilometer Rundkurs, der immer am Ufer entlang gelaufen wird. Das bedeutet, dass ich insgesamt 8 mal an meinem Auto vorbei muss. Wäre ich alleine gewesen, ich möchte wetten nach dem 4ten Mal spätestens hätte ich mich ins Auto gesetzt und die Homing-Taste gedrückt! Sie sehen schon: falscher Konjunktiv - ich war nicht alleine!

Daniel ist ja sowas von gut! So umgänglich erlebe ich meinen Trainer selten. Von Anfang an die pure Zufriedenheit. Ein Wunder! Und witzig ist er. Einer der Marathonies hat sich die Wangen getaped. Ja wirklich! Dieses blaues Tape-Pflaster rund geschnitten und auf die Wangen geklebt. Ich frage den Profi neben mir, wozu das wohl gut sei? Seine verschmitzte Antwort: "unterstützt das kontinuierliche Gewinner-Grinsen" und dass man das bei mir auch ruhig probieren sollte. Ich schlage fast der Länge nach lang hin. Aber heute ist nichts von schlechter Laune bei mir zu spüren - alles easy!

Daniel ermöglicht mir während der ersten 3 Runden nach der Wende jeweils in seinem Windschatten zu laufen. Der Wind hat nämlich mächtig aufgefrischt. Mit Heiko konnte ich beim Radfahren bereits die Zirkelei mit dem Windschattenfahren üben. Das läuft sich prima so. Daniel schlägt ein moderates Tempo an und ich bleibe ihm immer dicht auf seinen Fersen. In der letzten Runde allerdings kann ich (oder will ich?) das Tempo nicht mehr halten. Ich lege einige Gehpausen ein. Nicht wegen meinem Puls. Irgenwas in meinem Kopf. Es war nicht nötig - ich weiß! Beim nächsten mal wird das kontinuierlicher! (Ich wollte nur einmal einen Marathon laufen und rede jetzt schon vom nächsten! Ich bin echt nicht mehr zu retten.)

Bei Kilometer 28 dann ein echter Einbruch. Leise vor mich hin schimpfend, bin ich kurz davor aufzugeben: "Wozu das alles, ich bin zu alt, ich bin zu dick, ich kann das nicht…". Daniel gallopiert leichtfüßig schon 30 Meter vor mir. Später erzählt er mir, dass er im schlimmsten Fall nicht gewusst hätte, wie er mich da wieder raus kriegt. Aber dank meines Mentaltrainings finde ich aus diesem Loch allein wieder raus. Mein Mentaltrainer orakelte vor dem Lauf, dass ich meinen Einbruch höchstwarscheinlich bei Kilometer 19 haben werde. Ich sollte mir mit geschlossenen Augen vorstellen, dass dort eine Bar sei, mit vielen vergnügten Menschen, die Spaß haben, leckeres Weizenbier trinken etc. Nun laufe ich zwischen Kilometer 28 und 29 auf der Strandpromenade von Kiel und komme doch tatsächlich an der Seabar vorbei - allerdings hat sie die Hausnummer 61. Während ich vor mich hin trotte, überlege ich, das die 61 auf den Kopf gestellt, eine 19 ergibt.
 Tja - man darf es eigentlich niemandem ernsthaft erzählen, aber das hat gewirkt. Fragen Sie nicht wie, warum und wieso, aber es hat gewirkt. Mentaltraining! Ooohhhm .. Völlig verrückt!

Und was hat mich mein Trainer supported. Alle halbe Stunde pünktlich ein schmackhaftes Gel, an jedem Versorgungsstand darf ich weiterlaufen und mein Supporter schleppt Getränke an. Das ist richtig klasse. Ich muss mich um nichts kümmern. Wenn da nur nicht immer dieses ziehende Gefühl wäre, wenn ich wieder an einem Versogungsstand vorbeilaufe. Daniel ist nämlich immer erst einmal selbst mit Essen beschäftigt. Es gibt zwei Versorgungsstationen auf der Strecke und bei jeder hält mein Trainer, um sich mit Kuchen, Müslieriegeln und Schokolade vollzustopfen. Unglaublich, was der Kerl alles in sich hineinstopft. Mit Händen voller Beute erreicht er mich schnell wieder - und ich kriege keinen Bissen runter. Einmal fragt er, ob ich von seiner Schokolade auch mal abbeißen wolle - fast hätte ich mich übergeben. So ein Fressack!.. und kein Gramm zu viel auf den Rippen. Die Welt ist ja so ungerecht!

Auf sein Spielchen, den Läufer vor uns noch einzuholen, habe ich mich natürlich nicht eingelassen. Das war auch nicht abgemacht. Ich wollte nur einmal den Marathon laufen und gut is!

An dieser Stelle sei einmal lobend und anerkennend erwähnt, mit welchem Engagement die ehrenamtlichen Helfer uns versorgen. Keiner baut irgendwas ab, bevor nicht auch der letzte Läufer (also ich) durchgelaufen ist. Danke - Ihre ward alle klasse!

Glücklich und zufrieden bin ich nach  5:49  unter Beifall der Helfer ins Ziel eingelaufen. Ist das ein gutes Gefühl ! Vor dem Weißbier trinke ich erstmal einen halben Liter Wasser. Ich schmecke nur noch Süßes. Ab Kilometer 30 ernähre ich mich nämlich nur noch von Cola. Brrrrrr !

Daniel holt das Auto. Ich ziehe mir trockene Sachen an und auf der Rückfahrt wird nicht viel geredet. Selbst Daniel ist ruhig. Obwohl ich gleich wieder in Farbe sehen kann, wird er morgen die Treppen rückwärts runtergehen gehen, wie ich!

Ich bin stolz! Mein Trainer ist stolz! Ist das schön. Und deshalb habe ich mich auch gleich für den Berlin-Marathon am 25. September angemeldet. Mein Trainer redet gleich von neuen Zielzeiten. Auf 'n Teppich bleiben, Mann!
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Samstag, 15. Januar 2011

City-BKK-Lauf 2010

Nur damit Sie mal wissen, wie mein Trainer so tickt: In meiner letzten Trainingsstunde vor meinen Jahresurlaub fragt er mich, was ich denn am Sonntag so vor hätte. Nun, da sitze ich nachmittags schon im Autoreisezug nach Lörrach und mache Urlaub! Sehr gut, sagt er, dann können wir ja vormittags noch eben den City-BKK-Lauf zusammen machen - lächerliche 10 km. Rüdiger kommt auch mit. Meine Entgegnung, ich sei da doch mental bereits im  Urlaub, wird barsch abgetan: 'Ach was, dein Autoreisezug geht erst am Abend!' Was soll man dazu noch sagen? Rein faktisch hat er natürlich Recht - der Sack!

Bei diesem Wettkampf habe ich mich das erste Mal vorher richtig eingelaufen. Genau wie die Profis (naja, fast wie die Profis). Ich arme, alte, dicke Frau laufe mit diesen 2 jungen Burschen im Stadtpark auf und ab, mache kurze Sprints (na, ja, Sprints dann doch eher nicht, weil kurze Sprints finde ich einfach zu albern und unnötig anstrengend) und anschließend dehne ich nach allen Regeln der Kunst. Oh Gott - wie tief bin ich gesunken ...

Am Start stelle ich mich hinten an. Zwei Runden sind angesagt. Niemals würde ich auch nur ansatzweise in Erwägung ziehen es bei einer Runde zu belassen und mich den selbst bezahlten Anordnungen meines Lieblingstrainers widersetzen. Nein, nein. Wer weiß, wie viele Stunden ich dafür Nachsitzen müsste.

Wollen Sie es ehrlich haben? Am Start beschließe ich: Eine Runde, und dann ist gut.

Mit dem Startschuss trabe ich brav los, bin verhältnismäßig schnell, reduziere das Tempo und laufe genau nach Trainervorgabe. Ab Kilometer 3 gebe ich etwas mehr Hackengas. Ich überhole sogar 5 Laufluschen.

Bei Kilometer 5 laufe ich das erste mal am Ziel vorbei. An den Rufen der Zuschauer meine ich zu bemerken, dass man darüber erstaunt ist, daß die dicke, alte Frau eine weitere Runde laufen will. Das gibt Motivation, jetzt noch etwas mehr Gas! Von meinem Trainer ist noch nichts zu sehen, obwohl er großkotzig angekündigt hat, mich mehrfach überholen zu wollen. Poah.

Bei Kilometer 6 bin ich dann doch fällig. Daniel kommt leichtfüßig dahergelaufen und glaubt mit dem Satz zu punkten: 'Du bist schnell, dann können wir bestimmt auch noch schneller'. Ich könnte kotzen. Kriegt der Kerl eigentlich den Hals nie voll? Noch nie sind wir zusammen so schnell gelaufen! Erst jetzt dämmert mir, was Wettkampftempo wirklich heißt: immer noch eines drauflegen und am Schluss noch einen Sprint. Ich bin fix und fertig.

Im Ziel sind diesmal tatsächlich noch Zuschauer - 'hey was macht Ihr denn noch hier? Gibts nicht schon irgendwo 'ne nette kleine Siegerehrung?' Sie jubeln und klatschen und feuern mich an, Wahnsinn! Das nehme ich allerdings wie durch Watte hindurch wahr. Ich registriere nämlich unterbewusst, dass beim Zieleinlauf der Zeitmesser nicht gepiept hat ...

Der Streckenposten schickt mich zurück - ich möge mit mein Armband erneut über den Zeitmesser... Ja was ist das denn für ein Mist? Ich bin froh, dass ich diesen Höllenspurt ohne Infarkt überlebt habe und zur Belohnung darf ich noch mal zurücklaufen? Ich möchte hier nur daran erinnern, dass es bei Spitzensportlern um Zehntel Sekunden geht und meine Zeit wird gar nicht erst erfasst ? Wie soll ich denn da im internationalen Vergleich bestehen ?

Klar hab ich geschimpft wie ein Rohrspatz. Ist ja wohl auch eine Zumutung! Und dann mischt sich auch noch  mein Trainer ein. Na, der hat mir gerade noch gefehlt. 'Die machen das hier alle ehrenamtlich, die geben hier alle ihr Bestes, die kann man nicht so behandeln, sei mal ein bisschen netter, Du bist gut gelaufen' blah, fasel, laber... Immerhin hat er mir ein bleifreies Erdinger spendiert. Ja, mein Trainer!

Und nach dem Rennen setzte er noch einen tiefenpsychologischen oben drauf: Ob ich Angst vor Streckenposten im Allgemeinen hätte? Bei jedem Streckenposten, an dem ich vorbeilaufe, würde ich langsamer werden. Nein, er hat sich anders ausgedrückt: Du läufst in geradezu devoter Haltung an den Streckenposten vorbei. Ja, warum eigentlich?
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Freitag, 14. Januar 2011

Hamburg Halbmarathon

Zicken-Terror - zum erste Mal ist mein Lieblingstrainer richtig stinkig mit mir. Natürlich hat er irgendwo Recht, aber es ging mir so schlecht, ich konnte quasi nicht anders.

Es ist Sonntag, der 27.06.2010. Bestes Wetter. Halb Hamburg ist auf den Harleys unterwegs, nur meine Maschine rostet im Keller vor sich hin und ich renne mir die Seele aus dem Leib. Was für ein Wahnsinn.

Treffpunkt: Rothenbaumchaussee mit Daniel und seinem Freund Rüdiger. Gemeinsam geht es in den letzten Bus Richtung Start an der Reeperbahn. Ich soll mich einlaufen, ziehe es aber vor, nochmal aufs Plastik-Klo zu verschwinden. Vor Wettkämpfen könnte ich alle 5 Minuten zum Klo. Ätzend.

Daniel und Rüdiger laufen vorne weg. Sie versprechen mir wieder entgegen zu kommen, sobald sie im Ziel eingelaufen sind - ist das Zuspruch oder eine Drohung? Heute weiß ich wirklich nicht so recht.

Ich laufe hinten entspannt los (.. was für eine Formulierung). Genau, wie der Trainer es befahl. Es ist heiß und die Strecke schwierig. Landungsbrücken müssen wir bergauf - zurück zur Reeperbahn. Bereits bei Kilometer 4 werde ich von einer Gruppe tief fliegender Kenianer überholt, verfolgt von mehreren Kamerateams und einer Horde Löwen warscheinlich. Wir werden ermahnt, Platz zu machen. Ich schimpfe leise vor mich hin…

Die zweite Runde klappt ganz gut und ich bin nicht die Letzte. Meine Eltern stehen mit einem riesengroßen Plakat an der Straße: Evelyn, Du schaffst das. Die beiden sind unschlagbar. Ich liebe sie.

Hinter den Landungsbrücken kühle ich mich im Wallringtunnel etwas ab. Es stellen sich neckische Schmerzen in der Achillessehne rechts ein. Versuche zu dehnen. Da überholt mich so eine Lusche und näselt mich besserwissend dümmlich an: '..zum Dehnen is' noch büschen zu früh' - was für ein Arsch.

Auf der Lombardsbrücke bin ich schon ziemlich weit abgeschlagen, die Vorletzte, spricht mich ein Streckenposten an: Ich laufe außerhalb der Zielzeit. 'Entweder gebe ich Gas oder ich höre auf.' Das geht natürlich gar nicht. Mein Trainer wird mir die Hölle heiß machen. Ich muss irgendwie ins Ziel. Kann man Abkürzen? Wahrscheinlich nicht. Außerdem ist das unsportlich. Es bleibt mir also nichts anderes übrig: Ich muss schneller laufen.

In der glühenden Sonne laufe ich immer an der Alster lang und gebe Hackengas. Ich nehme kaum wahr, wie ich meine Mitläufer überhole - einen nach den anderen. Ich denke etwa folgendes:
  • ich kann nicht mehr, 
  • ich schaff das nicht, 
  • wozu das alles, 
  • ich hör auf damit, 
  • ich arme dicke alte Frau…

In der Sierichstraße, ca. 5 Kilometer vor dem Ziel sehe ich in weiter Entfernung zwei völlig entspannte Jünglinge mit modischen Sonnenbrillen und ausgezogenem Laufshirt über der Schulter auf mich zukommen. Sie beklatschen die Läufer vor mir und feuern sie an. Finden die das witzig? Ich bin total genervt. Was glauben die eigentlich? Das ist hier doch kein Spaziergang, verdammt noch mal - wer sich bei sowas freut und diesen Exkurs auch noch wieder zurückläuft, muss pervers sein - und tatsächlich, es sind mein Trainer und sein Freund. Ist das peinlich…

Auf ihre Begrüßung kann ich erstmal nichts erwidern. Ich bin fix und fertig, total genervt, gebe Daniel die Schuld an meinem Leid, habe Angst, dass der jetzt mit mir die letzten Kilometer auch noch abreißen will, weil ich weiß, dann muss ich noch schneller laufen. Ich kann aber nicht mehr, verdammt !

Dann die sozialkompetente Höchleistung meines Trainers: „Willst Du alleine weiterlaufen?“ Halluziniere ich? Ich bin begeistert. Er hat es begriffen. Ich antworte kurz angebunden: 'Ich laufe allein weiter.' Ich bin erleichtert. Ich muss kein Gas mehr geben, nur Tempo halten.

An der nächsten Kreuzung stehen meine Eltern. Sie halten wieder dieses Riesen-Plakat hoch. Die Samba-Band fühlt sich dadurch animiert und spielt wie der Teufel heiße Rhythmen. Das ist gut - Mann, ist das gut! Meine Mutter nötigt mir eins dieser ekelhaften Bullengetränke auf. Ich nehme es dankbar an. Unglaublicher Durst. Irgendwie gibt es auf diesem Lauf zu wenig Wasser und auf jeden Fall ist es zu heiß.

Auf der Rothenbaumchaussee geht es in die Zielgerade. Ich sehe die Uhr und gebe doch noch einmal Gas. Ich muss bei 2xx ins Ziel laufen. Bloß keine 3 vor dem Komma. Und es klappt. Ich bin nicht die letzte und laufe mit 2:58 ins Ziel. Ob ich mich freue? Nein! Mein Trainer ist nicht da! Ich ahne, dass er mir die Ablehnung seiner Hilfe übel genommen hat.

Am Ziel der gleiche Scheiß wie immer. Medaillenstand ist schon abgebaut. Zumindest ist niemand da, der einem die Medaille umhängt. Getränke sind an den Ständen nicht nachgefüllt. Ist ja klar. Man ist ja auch mit voller Aufmerksamkeit bei der Siegerehrung. Körperlich am Ende und persönlich enttäuscht verlasse ich den Bereich des Bösen, setze mich ins Auto und drücke die Homing-Taste. Der Wagen findet seinen Weg von allein. Jetzt erst einmal in die Wanne. Es geht mir physisch und psychisch richtig schlecht.

Den ganzen Nachmittag und Abend warte ich auf den Anruf meines Trainers. Gehorsam hatte ich ihm meine Laufzeiten per SMS durchgegeben – aber es herrscht Funkstille. Mehrmals prüfe ich, ob das Handy auch funktioniert. Ich bin traurig und habe ein schlechtes Gewissen (wieder dieses Mädchentrauma).

Mein Lieblingstrainer ist beleidigt! Macht ein auf Mädchen! Er will so nicht behandelt werden! Hallo? Trainer? Wo ist deine Empathie? Was ist mit Sozialkompetenz? Es geht nicht primär um Dich, Daniel! Ich habe die meisten Schmerzen - hier geht’s um mich! Das bischen Gezicke wird ein Profi doch wohl aushalten können! Mein Mann hält das 365 Tage im Jahr aus und er betet den Boden an, auf dem ich gehe .. naja, fast ..

Als mir Daniel am Telefon offenbart, dass er sich über mich geärgert hat und folgende Forderungen für sein Ego stellt, habe ich erstmal entrüstet aufgelegt - innerhalb der nächsten Minuten aber wieder besonnen und zurückgerufen.

Was für Machtkämpfe laufen hier denn ab? Wie ein altes Ehepaar. Ist der Kerl überfordert?

Wir haben uns natürlich wieder vertragen. Aber nur, weil wir beide nicht nachtragend sind und an uns arbeiten. Danke Trainer!

Und ich werde besser. Nicht nur sportlich. Ich verändere mich ! Bin nahezu grade handzahm - muß ich unbedingt nachher meinem Kerl erzählen...
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Donnerstag, 13. Januar 2011

Hamburg Marathon 2010

Was habe ich trainiert! Die ganze Wintersaison über Eisschollen, bei minus 10 Grad, durch Matsch und die letzten 8 Wochen jeden Sonntag einen langen Lauf. Und da ich ja nicht die Schnellste bin, kostet mich ein langer Lauf immer mindestens 4 Stunden meines Lebens. Diverse Laufeinheiten habe ich auch mit meinem Lieblingskollegen Thomas absolviert. Auf Dienstreisen, in fremden Städten sind wir morgens im Dunkeln durch manch fremden Park gestolpert. Gott sei Dank hat der Mann einen guten Orientierungssinn. Ob ich allein auch immer zurück gefunden hätte darf stark bezweifelt werden.

Wir Wahnsinnigen verabreden uns Sonntags morgens, 6:30 Uhr und rennen durch irgendeinen blöden Wald. Während andere gemütlich die Woche ausklingen lassen und den Schlaf der Gerechten schlafen, renne ich leise wimmernd und schimpfend durch die Taiga. Aber seltsamerweise erscheint es mir schön - sobald es vorbei ist. Ich glühe wie Jean D'Arc, wenn ich einen weiteren Schneesturm bezwungen habe. Mit Thomas zu laufen ist angenehm. Ich kann ihn gut neben mir ertragen. Das ist wie auf Arbeit. Er quatscht nicht und vor allem: Er meckert nicht mit mir!

Aber jetzt ist Marathon-Tag. Ich bin wieder so aufgeregt , dass ich schon eine Woche vor dem Termin mit Fieber und einem Magen-Darm-Infarkt darnieder liege. Ab den Stichtag, an dem alle anderen Marathonis Kohlehydrate in sich hinein stopfen (heavynudeloverdoseday), behalte ich nix bei mir. Erst ab Donnerstag gibts das erste Mal wieder feste Nahrung und am Sonntag starte ich tatsächlich.

Minna und Thomas kommen morgens zu mir. Ich habe mein gesamtes Rennhasen-Equippment am Tag vorher schon zurecht gelegt. Den Zeitmesser an die Schuhe gefrickelt, die Startnummer ans Trikot und die Gels rausgelegt. Und dann fängt der gallopierende Wahnsinn noch in meiner Bude an. Minna fragt, ob ich meine Daten auf die Rückseite meiner Startnummer geschrieben habe. Was für Daten und wieso? Ich laufe doch gar nicht alleine, gehe also nicht verloren und Thomas und Minna sind doch die ganze Zeit bei mir! Aber meine Freundin ist überzeugt, es gäbe nichts wichtigeres, als dieses Datenblatt auszufüllen. Na gut. Soll sie. Sie ist halt Mutter und kann aus ihrer Haut nicht raus, denke ich – und wer weiß, wofür es gut ist.. Die kleine Evelyn hat sich verlaufen und sucht ihre Mutti ! Die kleine Evelyn kann am Besenwagen abgeholt werden ...

Die U Bahn ist völlig leer. Ich frage nach, ob wir wirklich den richtigen Tag erwischt haben. Letztes Jahr standen wir dicht gedrängt in der U-Bahn. In diesem Jahr sind wir so spät dran, dass alle schon am Start sind! Am Heiligengeistfeld bleibt nur noch Zeit fürs Klo.

Und da fällt es mir auf: Meine Startnummer ist weg! Sie liegt in Thomas Wäschesack! Na, so ein Dreck. Ich werde nervös und suche Thomas. Nur noch 5 Minuten Zeit. Minna hält mich fest und schreit mich an, wie man ein kleines Kind vielleicht anschreit (wenn man anschreit). Ich soll mich jetzt endlich zusammenreißen. ...was geht hier denn ab? Thomas kommt und hat eine Startnummer für mich. Noch mal ganz schnell aufs Plastik-Klo.

Minna und Thomas entscheiden, unseren Startblock nicht weiter zu suchen, sondern von der Seite einzusteigen. Nun starte ich mit Läufern, die eine Zielzeit von 3:30 anpeilen. Das ist Wahnsinn ! Ich fühle mich schlecht.

Ich laufe im falschen Startblock los und bin für diese Athleten natürlich eine Leistungsbremse. Das ist unsportlich. Tut mir leid. Und ich bin wieder zu schnell. 7,00 Minuten auf den Kilometer. Die Vorgabe des Trainers waren 8,20 Minuten. Aber es läuft zunächst trotzdem ganz gut. Minna bemuttert mich. Ihr Mann folgt uns per Fahrrad und hat unsere Verpflegung dabei. Minna duppt mich wieder an, weil sie zu dicht aufläuft. Das kann ich gar nicht haben ! Ich bin genervt und zu heiß ist es auch. Als wir die Alster erreichen, läuft Thomas neben mir her. Ich atme leicht und tief durch. Das ist fast angenehm ...

Höhe Zimmerstraße schließt Hobbypsychologin Minna wieder auf und macht mich mit dem folgenden Satz völlig wuschig: 'wir kommen jetzt gleich an die Stelle an der Du das letzte Mal aussteigen musstest. Da macht Dein Körper gleich komische Sachen mit Dir.'

Was soll dass den? Soll ich mich jetzt schon mal drauf freuen ? Eine psychologische Glanzleistung. Ich weiß, Du meinst es gut - Empathie?

Am Kilometer 23 jubelt uns Thomas Familie zu. Sein kleiner Sohn ist ganz aufgeregt und seine Frau hat sich trotz Schwangerschaft mit Bus und Bahn auf den Weg gemacht. Danke Ihr Lieben!

Kilometer 25 jubelt meine Familie und die Freunde. Wir sind zwar schon wieder ziemlich die letzten, aber noch guter Dinge. Alles wird gut…

Und dann geht es los: Ab Kilometer 26 Muskelkrämpfe im rechten Oberschenkel. Tut das weh, verdammt ! Gelockert, massiert und weitergelaufen. Aber die Krämpfe kommen immer wieder. Nur nicht nachlassen jetzt. City Nord wird die NDR-Bühne bereits abgebaut, als wir gerade vorbei kommen. Danke NDR - Ich werde zu den privaten wechseln.

Alsterdorf am Kilometer 28 kommt die Erkenntnis während meines 15. Muskelkrampfes: das wird nix. Ich laufe trotzdem weiter. Der Höhepunkt an diesem Tag war dann der Streckenposten, der mir bei Kilometer 29 einen Platz im Bus anbot. Danke Streckenposten! Auch das eine psychologische Großtat. Ich gebe auf !

Für mich steht fest, dass ich mit diesem Wahnsinn aufhöre. Ich bin bis Kilometer 31 gekommen. Dort steht noch einmal meine Familie und die Freunde. Ich muß mir auch hier noch ein paar Sprüche anhören:
  • Lauf doch weiter.
  • Sind nur noch 11 Kilometer.
  • Daniel wartet dahinten 

Und was soll ich sagen: ich bin noch einmal losgelaufen. Vielleicht hätte ich es tatsächlich geschafft. Wer weiß? Tatsache ist, dass eine Peterwagenbesatzung mich nicht gerade freundlich darauf hinweist, dass ich außerhalb der Maximalzeit laufe und entweder gäben wir jetzt Gas oder wir müssten eben auf den Bürgersteig. Danke, Ihr Freunde und Helfer!

Ich schlepp mich in die U-Bahn und lass mich nach Hause rütteln. Hätten mich die Polizisten nicht derart madig gemacht - ich wäre weitergelaufen. Aber Regeln sind halt Regeln.

Zu Hause erstmal in die Wanne und immer schön warm nachlaufen lassen. Es gibt nichts besseres nach Niederlagen. Auf den Anruf von Minna hätte ich dann doch verzichten können. Sie macht mir wenig aufmunternde Vorhaltungen. Noch während des Telefonats, in der Wanne liegend, völlig erschöpft, beschließe ich, Minna die Freundschaft aufzukündigen. Ich habe bis heute keinen Kontakt mehr zu ihr, auch wenn ich mich manchmal frage, ob das wirklich angemessen war. Ich bin halt ein Radikalinski...

Sie werden sich vielleicht fragen, wo mein Trainer war? Nun, ein echtes Highlight der Kerl und an dieser Stelle bedanke ich mich ganz herzlich für seinen Einsatz und seine Anteilnahme. Er war da! Nachdem er den Marathon in 3:39 durch hatte, macht mein Lieblingstrainer eine Halse und erwartet mich bei Kilometer 32. Von dort aus wollte er mit mir die letzten 10 Kilometer bis ins Ziel laufen. Ist er nicht süß ?

Das Schlimmste an einer Niederlage sind immer die folgenden 14 Tage, in denen ich mich regelmäßig frage, ob die Entscheidungen richtig waren - wieder so ein Frauending. Wenn mein Mann mal etwas entschieden hat (z.B. den Müll jetzt nicht raus zu bringen) bleibt er konsequent dabei und hinterfragt nicht, wie andere sich dabei fühlen. Die müssen dann eben da durch.

Seit diesem Wettkampf mache ich Mentaltraining. Darüber erzähle ich demnächst mehr - ich sage nur Hokuspokus.

Und was war mit Thomas? Er ist die letzten 11 Kilometer mit Hackengas gelaufen und mit 5:57 ins Ziel. Glückwunsch! Ich freu' mich für dich - Ziel erreicht.
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Hoisbütteler Hasenlauf 2010

Du überrundest mich heute nicht 2mal! Mit dieser Motivation stehe ich im März am Start. Es ist arschkalt und ich bin zu 10km angemeldet und mein Lieblingstrainer zum Halbmarathon - also 2 Runden. Wir 10km-Luschen dürfen 10 Minuten früher starten.

Wegen exzellenter Vorbereitung und meiner Fortschritte in den vergangenen Monaten, bin ich zwar immer noch aufgeregt am Start, aber hoch motiviert und fühle mich fit. Ungefähr bei Kilometer 3 überholt mich mein Lieblingstrainer und meldete im Vorbeilaufen: 'Heute überhole ich Dich 2mal!' - Denkste, mein Lieber !

Diesmal bin ich nicht die Letzte. Den drei Schnecken da vor mir bin ich schon dicht auf den Fersen. Die Mädchen sehen nicht nur schwächer aus als ich, sie biegen auch bei Kilometer 4 in diese alberne 5-Kilometer-Uschirunde ab. Also laufe ich doch alleine weiter und natürlich wieder als letzte.

Und dann sehe ich sie! Zwei Uschis, die quatschend nebeneinander her laufen. Bei Kilometer 6 habe ich sie überholt und eins ist klar: nie mehr als Letzte ins Ziel!

Eine Knüppelstrecke, bergauf, bergauf, weiter bergauf und nur bergauf über Pferdeacker und Reitwege. Ab Kilometer 8 immer mit einem Blick nach hinten, ob wohl gleich der Trainer ein zweites mal vorbeikommt. Aber wer sagts denn - er hat mich nicht ein weiteres mal überholt! 1:18 - Bestzeit!

Ob das Absicht war? Sollte mich seine Drohung nur anstacheln? Zuzutrauen ist es ihm. Aber das wäre dann schon erschreckend, wie er mich manipuliert. Der Sieg findet also tatsächlich im Kopf statt - so what, Kopf habe ich ja.
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Mittwoch, 12. Januar 2011

Airportrace Hamburg 2009

Kennen Sie das? Jemand läuft neben Ihnen und duppt Sie regelmäßig an, weil er viel zu dicht aufläuft? Minna macht das z.B. Kann ich ja nicht haben, sowas! Und da ich beim Laufen nicht gerade die bestgelaunteste Freundin bin, ist die Tragödie vorprogrammiert.

Der Airportrace - lächerliche 16km - war wieder eine echte Prüfung für mich. Nicht mal unbedingt ausdauertechnisch, sondern eher wegen der mentalen Last, wieder als Schlusslicht einzulaufen. Anderen, besseren Sportlern, wie z.B. der Minna, macht das nicht nur nichts aus, sie haben auch gleich noch gute Ratschläge parat:
  • Wer sonst läuft schon so weit wie du
  • schau auf das, was Du bereits erreicht hast
und ähnliche Plattitüden. Die haben natürlich gut reden, sie wissen ja auch, dass sie jederzeit schneller und besser könnten. Ja könnten, wenn sie nicht so einen lahmen Ackergaul neben sich hätten, der durch das zusätzliche Gewicht zweier voller Bierkästen gebremst wird, die er bauartbedingt mit sich herumschleppt …

Selbstverständlich war ich wieder die letzte im Ziel. Und selbstverständlich war auch alles bereits abgebaut. Keine Zeitmessung - keine Medaille - keine Urkunde! Alles weggeräumt. Das beste war, dass im Zieleinlauf ein blöder Ford-Transit quer im Weg stand und wir darum herum turnen mussten. So ein Auto kommt mir nicht mehr ins Haus! Dank meiner schlechten Laune und einem daraus resultierenden bühnenreifen Auftritt hat sich die Veranstaltungsleitung dann doch noch um meine persönliche Medaille und eine Urkunde bemüht.

Hier habe ich mich auch zum widerholten Mal gefragt, was die Krankenkassen eigentlich auf solchen Veranstaltungen machen. Sie verkaufen fettige Bratwurst, überzuckerte Getränke und beklatschen die Gewinner - für diejenigen, die gerade erst angefangen haben und wo sich die Motivation lohnen würde, bleibt nichts übrig - und dafür geben sie die Gelder ihrer Beitragszahler aus. Die meisten, die auf solchen Veranstaltungen herumlungern, treiben ja bereits Sport und brauchen nicht extra motiviert werden.

Aber ich hatte auch nette Erlebnisse. Mein Mann und einige Freunde standen an der Rennstrecke und feuerten mich an. Daniel, den ich damals erst zwei Wochen kannte, war mit seiner Rike gekommen und lief ein Stück mit mir mit. Das war Balsam für meine geschundene Seele.

Manfred und Margret haben mich sogar die letzten sechs Kilometer auf ihren Fahrrädern begleitet. Auch wenn Manfred mit seinen buschikosen Bemerkungen ab und zu daneben haut: ich weiß ja wie er es meint …
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Hamburg Marathon 2009

Um es gleich vorweg zu nehmen: der Hamburg-Marathon 2009 hat eine Schneise der Verwüstung in mein keimendes Sportler-Selbstbewusstsein geschlagen.

Unterstützt von meiner damaligen Freundin, ich nenne sie mal Minna, und meinem Lieblingskollegen Thomas sollte hier unsere Zielvereinbarung eingelöst werden. Vorbereitet durch viele Stunden Training auf dem Crosser, war ich ziemlich sicher das Ding schon schaukeln zu können.

Allerdings hatte ich nur einen einzigen langen Lauf von albernen 23 km absolviert und mangels Leistungsdiagnostik wahrscheinlich auch in völlig falschen Pulsbereichen. Trainingsanreize kannte ich nicht und Pausen waren auch nicht geplant. Nie qäulte ich mich an irgendeine Leistungsgrenze heran. Das Wort Tempotraining passte nicht in meinen Wortschatz - tut bestimmt weh - Hauptsache easy.

So vorbereitet fühlte ich mich auch noch sicher! Unter anderem deshalb, weil ich bei meiner Freundin und ihren jahrelangen Wettkampferfahrungen nicht so falsch liegen konnte - tssz, tssz.

Optimistisch stellen wir uns also in den Startblock für 5:30. Ich bitte Thomas wegen seines Leistungsvorsprungs schon mal vorweg zu laufen. Er hat sich Gott sei Dank auch drauf eingelassen.

Gemeinsam mit Minna renne ich los. Bereits an der ersten Wasserstelle ist klar: das wird nix! Völlig abgeschlagen laufen wir vorbei an Streckenposten und Wasserstellen, die bereits mit dem Abbau beschäftigt sind. Landungsbrücken kippen sie uns zwei Tische mit gefüllten Wasserbechern direkt vor die Füße.

Was für eine Schmach ... mental ist das die Hölle! Und die Zuschauer beklatschen natürlich auch nur die 'Guten'. Für das Schlussfeld sind die Zuschauer entweder schon abgereist oder so betrunken, dass sie nur noch abfälligen Bemerkungen übrig haben.Sieht ja auch nicht so toll aus, wenn zwei Schnecken sich mühevoll über den abfallgeschwängerten Asphalt quälen.

Dass man von der Begeisterung der Zuschauer über diese lange Strecke getragen wird, mag für die ersten ja durchaus gelten. Hier hinten bei uns kommt allerdings nix mehr an, niente, null. Sehr sportlich liebe Sportfans !

Die sind ja alle so gemein zu mir !

Und dann begehe ich einen Fehler. Auf Anraten von Minna walken wir ab Kilometer 12. Ein völlig anderer Bewegungsablauf! Na, das wäre ja was für den Walker-Hasser Archillis! Ab Kilometer 22 jedenfalls ist Schluss. Saarlandstraße habe ich straußeneiergroße Blasen unter den Füßen und diffundiere peinlich berührt in den Sanitätsbus. 'Alten Wöhr' steige ich allerdings gleich wieder aus, denn hier werde ich von meiner Familie und meinen Freunden in Empfang genommen. An dieser Stelle meinen herzlichsten Dank dafür, dass sie gekommen sind, mich unterstützt haben und stolz auf mich sind. Tröten, Rasseln und das ganze Zeugs, daß mir bisher vorenthalten wurde.

Mein einziger Trost: auch Thomas schafft die 42 km nicht ganz. Zu wenig trainiert, der Gute. Bei Kilometer 31 muß er wegen Muskelkrämpfen abbrechen. Obwohl ich es ihm natürlich von Herzen gönnte (herrlicher Konjunktiv, nicht wahr), aber damit bekomme ich eine zweite Chance!

Nach diesem Desaster war klar: Ich brauche professionelles Lauftraining. Ich brauche einen, der mir zeigt, wie es funktioniert.

Tja, und dann lese ich im Mai 2009 in unserem Käseblatt diese Annonce: Daniels Runnershigh. Lauftrainer für Anfänger und Fortgeschrittene. Ich weiß noch: In der Annonce stand 'Netter Typ'. Na ja. Wenn man nicht gerade mit ihm läuft ...

Bis September dauert die Entschluss-Umsetzung - dann schicke ich dem Daniel eine Mail, schildere ihm kurz meine bisherige 'Sportlerkarriere', dass ich eigentlich eine Lusche bin aber trotzdem den Hamburg-Marathon laufen will. Seine Antwort: 'Ja, ich nehme die Herausforderung an.' Seit damals lasse ich mich von Daniel auf hohem Niveau drangsalieren – und wehe das wird wieder nichts !
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Dienstag, 11. Januar 2011

Erster Wettkampf: Warnemünde 2008 / 10km

Mein Kollege Thomas und ich hatten folgenden Plan:

  • im April diesen 10 km-Lauf in Warnemünde
  • im Dezember einen Halbmarathon und dann
  • im April 2009 den Hamburg-Marathon

Soviel zur Theorie…

Daniel kannte ich zu der Zeit noch nicht. Das Referat über die Fehler, die ich immer so mache, blieb mir also erspart. Am Abend vor dem Lauf sind wir in Rostock angereist, haben ausgiebig gegessen und natürlich auch kräftig getrunken - das machen Thomas und ich immer, wenn wir unterwegs sind. Morgens im Hotel habe ich vor lauter Nervosität bereits keinen Bissen runtergekriegt. Vielleicht hatte ich auch zu viel geistige Getränke? Wer weiß..

Besser nüchtern als mit Übelkeit im Bauch an den Start gehen, dachte ich mir. Sportlernahrung, wie Gels oder Power-Riegel, kannte ich damals auch noch nicht. Auf dem Weg zum Start dann auch noch ein Beinahe-Zusammenstoß mit einem Schäferhund, der unser Sportlerradar unterflog – das geht gar nicht! Niemand hätte uns das abgenommen. Wir treten wegen eines Ost-Köters nicht zum Wettkampf an. Scheiß Ausrede.

Wegen der Kälte hatte ich mich natürlich auch viel zu mollig eingepackt (typisches Mädchenproblem) und mich ganz hinten an den Start gestellt (selffilling phrophety). Puls im Stand: 146 – und selbstverständlich bin ich viel zu schnell losgelaufen.

Mit gedrosseltem Tempo ging es Richtung Leuchtturm. Nach ~ 500 Metern kamen mir die ganz Schnellen bereits wieder entgegen. Halse am Leuchtturm und zurück Richtung Wald.

Ab Waldgrenze wurden zwei Runden gelaufen. In Sichtweite sah ich die ersten Irren bereits die zweite Runde laufen. Das war der Moment ~ Kilometer 3, wo ich aufhören wollte. Hätten sich da nicht völlig überraschend meine Eltern mit einem riesigen Motivations-Transparent plaziert - ich bin sicher, ich hätte mich heulend in den Sand fallen lassen. So angefeuert hab' ich selbstmurmelnd bis zum Schluß durchgehalten.

Mit dem Besenrad an einer Seite und meinen Eltern an der anderen, die mich an den unterschiedlichsten Punkten anfeuerten und motivierten, erreichte ich doch tatsächlich das Ziel - was für ein Höllenritt. 1:36 war meine Zeit. Natürlich war man bereits beim abbauen... Wenn meine Eltern und Kollegen nicht interveniert hätten, wäre ich nicht nur als letzte ins Ziel, ich hätte auch gar nicht bemerkt wo das Ziel mal war... das gibt intensivste Gefühle der unsportlichen Art !

Ob ich mich gefreut habe? Nicht eine Sekunde. Ich war einfach nur froh, dass es vorbei war. Obendrein war mir wirklich alles nur noch oberpeinlich. Selbst wenn Freunde und Bekannte mir gegenüber ihre Hochachtung ausdrückten, war es mir immer noch peinlich.

Den Halbmarathon konnte ich übrigens nicht mitlaufen - war krank: Monte Zumas Rache. War es die Aufregung oder die Angst vor mehr Peinlichkeiten? Ich will es gar nicht mehr wissen.
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Montag, 10. Januar 2011

Wettkampf - allgemein und im besonderen..

Menschen, die keine Prüfungsangst haben, werden das nicht verstehen und Menschen, die mich kennen, werden nicht verstehen, warum ausgerechnet ich solche Probleme mit Wettkämpfen habe. Dazu muss man vielleicht noch sagen, dass mir nicht nur der offizielle Sport-Wettkampf mit Startnummer und dem ganzen Gewese den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Ich empfinde jedes Training als persönliche Prüfung und besonders zerrt jeder diese scheißlangen Läufe an meinem Nervenkostüm.

Unangenehm für meine direkte Umgebung jedoch ist, daß ich in Wettkampfsituationen richtig schlechte Laune verbreite. Ich könnte meinen Mitmenschen gelinde gesagt in die Fresse hauen, nur weil die Rennerei mir die letzten Reserven abfordert und ich trotzdem so unsagbar schlecht bin. Mein Lieblingstrainer kann ein Lied davon singen. Er ist bemüht - wie sagt er immer - 'einen besseren Menschen aus mir zu machen'.

Ich bin in anderen Disziplinen Wettkampfsituationen durchaus gewohnt und komme darin meist zu durchaus respektablen Ergebnissen – nur eben nicht im Sport. Wenn ichs so recht bedenke bin ich eigendlich ein erprobter Widerstandskämpfer!

Ich habe in Brokdorf gegen Atomkraft demonstriert, bin am Tag der Arbeit in der vordersten Reihe gelaufen, direkt neben dem kommunistischen Wecker und meine gesamte berufliche Laufbahn ist durch ausprobieren, anders- und bessermachen am besten beschreibbar. Und nun kommt so ein Jungspund daher und macht mich durch ein bischen körperliche Anstrengung zum duldsamen und schweigsamen Mitläufer – igitt ! Da erkenn' ich mich so gar nicht wieder.

Ich möchte, dass Sie alle an meinen bescheidenen Wettkampferfahrungen teilhaben. Diese Erfahrungen richten sich insbesondere an diejenigen Mitmenschen, die als unbedarfte Helfer wertvolle ehrenamtliche Hilfe leisten, aber eine Schneise der Verwüstung im Selbstwertgefühl des sportlichen Anfängers zurücklassen. Sie richten sich aber auch an diejenigen Sportler, die sich regelmäßig abfällig über mich und meinesgleichen äußern. Dieser selbstherrliche Achim Achilles sei hier nur erwähnt, der mit einer beispiellosen Arroganz die Meinung verbreitet, dass Menschen, die für den Marathon länger als 4 Stunden benötigen, in dieser Sportart nix zu suchen haben.

Tolle Wurst, Herr Archillis. Ihr erster Lauf war sicher weit unter 2 Stunden. Wie fühlt man sich denn so als hungriger Afrikaner unter übergewichtigen Europäern ? Was für ein Sack !
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