Mittwoch, 6. April 2011

Der JoJo-Effekt

Seit Monaten geht das nun schon so: 4 Kilo rauf, 4 Kilo runter, 4 Kilo rauf, 4 Kilo runter…

Wir haben jetzt April 2011 und ich trage immer noch das gleiche Gewicht mit mir rum, wie vor einem halben Jahr. Mein Trainer dreht regelmäßig durch und stellt mir die unsensibelste Frage, die man einem Adiposito nur stellen kann: "Warum machst Du das?"  "Na, keine Ahnung", antworte ich nur - und jetzt kommen wir zu den Ursachen:

Mein Arbeitgeber befindet sich in Fusion. Seit Januar gibt’s bereits reale Fusionsprojekte und jeder Straßenköter in diesem Laden versucht seine Pissmarken zu setzen und sich möglichst einflussreich zu positionieren - zum Wohle der Firma natürlich - und natürlich auf Kosten anderer, z.B. auf Kosten meiner Nerven!

Seit Oktober 2010 redet mein Chef nicht mehr mit mir und mit den 12 anderen Kollegen/Innen auf gleicher Hierarchieebene auch nicht. Uns Allen geht es richtig mies. Systematisch kalt gestellt und mit minimierten Befugnissen bin ich von heut auf morgen mit meinem Potential nicht mehr gefragt. Und das mir, die 30 Jahre lang nichts wichtigeres kannte als ihren Job. Von meinen 20 Hochzeitstagen habe ich höchstens 5 mit meinem Mann zusammen verbracht, weil ja der Job so wichtig war. Ich bin ja sowas von blöd !!!

Diese Situation kann ich nicht gut ertragen. Ich schlafe schlecht, mache mir Sorgen und bin richtig unglücklich. Und was macht ein Adiposito wenn er unglücklich ist? Er frisst und säuft. Tja mein Trainer, ich weiß, davon wird es auch nicht besser, aber ich bin nun mal so konditioniert.

Nur mal so ein kleines Beispiel: ich habe eine von diesen entsetzlichen Sitzungen in Düsseldorf bei meinem neuen Vorgesetzten (ein 54 jähriger pubertierender Waschlappen). Wohl gemerkt: 4:00 aufgestanden, 5:00 in Hamburg losgefahren, um 10:30 in Düsseldorf, Sitzung bis um 17:00 und anschließend nach Hause fahren. 21:30 = Home, sweet Home! Den ganzen Tag über praktisch nur gesessen. Und völlig frustriert. Anstatt nach der Sizung einfach eine Runde laufen zu gehen... Nee - fehlt mir dann völlig der Antrieb. So viel Abstand habe ich einfach nicht zu meinem Job. Solche Erlebnisse werfen mich völlig aus der Bahn.

Dabei bereite ich solche Tage strategisch immer gut vor, wenn es irgend geht. Morgens einen Quark zubereitet, Obst eingepackt (sogar 2 Apfelsinen geschält und eingetuppert). Na ja, ok, das Obst habe ich als "Hasenobst" wieder mit nach Hause gebracht. Sowas putzt mein Mann dann am nächsten Tag weg.

Vor der Heimreise noch kurz tanken und auf der Tankstelle erst einmal Süßigkeiten einkaufen! Impulsware - im Kassenbereich reagiert der Kunde immer besonders impulsiv. Katzenpfötchen, Gummibärchen, Mars und Bounty, 1 Cola, 1 Liter Altbier für zu Hause und Kekse. Nachdem ich das Altbier im Kofferraum verstaut und meine Kalorien-Beute auf dem Beifahrersitz abgelegt habe, drücke ich die Homing-Taste - und: esse während der ganzen Fahrt nichts, aber auch gar nichts von diesem Schrott, weil mich mein schlechtes Gewissen quält. Das allerdings spurlos verschwindet, als ich mit einem Mörderhunger bei Mac Donalds Station mache und mir einen Hamburger Royal TS mit Cola, Pommes und Mayo (die große Portion natürlich) und danach noch einen Mac Fisch obendrauf reinziehe. Fast wie Sex, nur leider noch schneller zu Ende! Und immer still schimpfend auf diesen unerträglichen Menschen, der jetzt mein Chef ist. Erklärungsansatz: hat mein Vater doch selbst Schuld wenn ich kalte Finger habe. Warum kauft er mir keine Handschuhe!

Frisch gestärkt fahre ich weiter und am nächsten Rastplatz halte ich zur Strafe gleich noch mal an und kaufe ein Eis – legger, so als Genussmensch! Na ja, und auf dem langen Weg nach Hause mache ich mich dann successive doch über das Dreckszeugs auf dem Beifahrersitz her - bis mir schlecht wird. Zu Hause angekommen, teile ich das Altbier noch mit meinem Mann und - obwohl schon völlig überfressen - falle ich noch über eine Dose Würstchen her, die ich noch im Kühlschrank entdecke. Schlanke Menschen haben für solche Excesse natürlich kein Verständnis, mit ihrer Scheiß Disziplin. Von meinen Whiskys an diesem Abend erzähl ich lieber gar nichts erst...

Woody Allen hat in den 70iger Jahren in seinem Film "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten" eine interessante eigene Theorie vorgestellt, die erklärt wie es zu solchen Excessen kommt. In besagtem Film gibt es eine Szene, die aus Sicht eines jungen Mannes ein Date mit einer schönen Frau zeigt. Gezeigt wird das Innere seines Gehirns mit weiss gekittelten Männern, die ihre Checklisten abhaken und hunderte  Kontrollampen, die leuchten und flackern, wenn er gerade viele Reize empfängt. So ungefähr geht es mir beim Essen. Hunderte Lampen gehen dann in meinem Gehirn an, flackern und leuchten und zeigen die Reizüberflutung mit Essensinformationen - wer will da schon, dass das aufhört?


Tja, solche Anfälle habe ich in letzter Zeit öfters. Kein Wunder, dass ich nicht abnehme. Sag ich doch. Da brauch ich auch keine Monologe von meinem Trainer. Bloß wie krieg ich jetzt wieder die Kurve?

Mein Coach (ich hab ihn ja echt gern) hat das Talent, gerade dann anzurufen, wenn ich gerade am Essen bin oder gerade mein Bier bestellt habe. Zum kotzen! letzte Woche zum Bleistift. Es ist Mittwochabend 21:45 Uhr. Ich habe gerade meinen ersten Bissen vom Abendessen im Mund: "Was isst Du da? Es ist 22:00 Uhr. Da isst man nichts mehr!" höre ich ihn übers Telefon blaffen. Die Frage, was ich essen würde, habe ich vorsichtshalber gar nicht erst beantwortet. Ungelogen: eine halbe Stunde Referat musste ich über mich ergehen lassen. Mein Argument, dass ich ja erst um 21:30 Uhr vom Sport komme (nach 2 Stunden Hardcore-Cycling), lässt er nicht gelten. Ich solle vorher essen (so’n quatsch; wer macht denn so was?).

Aber das allerbeste was er vom Stapel lässt ist: "Man isst nicht wenn man Hunger hat, man isst wenn es dran ist".

Genau so hab ich mir das vorgestellt. Deshalb hat mein Coach auch kein Verständnis dafür, dass ich manchmal erst um 16:00 das erste mal am Tag etwas esse. Herr Trainer geht ja nie ohne Frühstück aus dem Haus. Der ist sogar so durchgeknallt, dass er vor einem Wettkampf um 4:00 morgens im Hotelzimmer kalte Nudeln mit Ketchup isst. Was für ein Leben - und ich kenne solche Leute und rede auch noch mit ihnen!

Entrüstet  sage ich mein Training für den nächsten Tag stand de pede ab. Ich simse noch gleich hinterher, dass ich keine Lust habe mit ihm zu Laufen - keine Lust, mir schon wieder Vorträge anzuhören und Nackenschläge einzustecken. Soll er doch alleine laufen, die Gräte.

Aber eines ist mir nach eineinhalb Jahren Training mit Daniel ganz klar: Er wird nie einen dicken Menschen je verstehen. Natürlich hat er Recht - sag ich ja gar nichts gegen. Aber Recht haben ist ja wohl nicht alles, oder?

Tatsache ist auch, dass er bei mir mal wieder einen wunden Punkt getroffen hat. Er hat es zumindest geschafft, mich aus meinem Selbstmitleid zu reißen – der Sack. Ich bin wieder am Ball. Ich werde doch wohl diese letzten lächerlichen 17 Kilo noch abnehmen können!

Schaun 'mer mal …
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