Samstag, 15. Januar 2011

City-BKK-Lauf 2010

Nur damit Sie mal wissen, wie mein Trainer so tickt: In meiner letzten Trainingsstunde vor meinen Jahresurlaub fragt er mich, was ich denn am Sonntag so vor hätte. Nun, da sitze ich nachmittags schon im Autoreisezug nach Lörrach und mache Urlaub! Sehr gut, sagt er, dann können wir ja vormittags noch eben den City-BKK-Lauf zusammen machen - lächerliche 10 km. Rüdiger kommt auch mit. Meine Entgegnung, ich sei da doch mental bereits im  Urlaub, wird barsch abgetan: 'Ach was, dein Autoreisezug geht erst am Abend!' Was soll man dazu noch sagen? Rein faktisch hat er natürlich Recht - der Sack!

Bei diesem Wettkampf habe ich mich das erste Mal vorher richtig eingelaufen. Genau wie die Profis (naja, fast wie die Profis). Ich arme, alte, dicke Frau laufe mit diesen 2 jungen Burschen im Stadtpark auf und ab, mache kurze Sprints (na, ja, Sprints dann doch eher nicht, weil kurze Sprints finde ich einfach zu albern und unnötig anstrengend) und anschließend dehne ich nach allen Regeln der Kunst. Oh Gott - wie tief bin ich gesunken ...

Am Start stelle ich mich hinten an. Zwei Runden sind angesagt. Niemals würde ich auch nur ansatzweise in Erwägung ziehen es bei einer Runde zu belassen und mich den selbst bezahlten Anordnungen meines Lieblingstrainers widersetzen. Nein, nein. Wer weiß, wie viele Stunden ich dafür Nachsitzen müsste.

Wollen Sie es ehrlich haben? Am Start beschließe ich: Eine Runde, und dann ist gut.

Mit dem Startschuss trabe ich brav los, bin verhältnismäßig schnell, reduziere das Tempo und laufe genau nach Trainervorgabe. Ab Kilometer 3 gebe ich etwas mehr Hackengas. Ich überhole sogar 5 Laufluschen.

Bei Kilometer 5 laufe ich das erste mal am Ziel vorbei. An den Rufen der Zuschauer meine ich zu bemerken, dass man darüber erstaunt ist, daß die dicke, alte Frau eine weitere Runde laufen will. Das gibt Motivation, jetzt noch etwas mehr Gas! Von meinem Trainer ist noch nichts zu sehen, obwohl er großkotzig angekündigt hat, mich mehrfach überholen zu wollen. Poah.

Bei Kilometer 6 bin ich dann doch fällig. Daniel kommt leichtfüßig dahergelaufen und glaubt mit dem Satz zu punkten: 'Du bist schnell, dann können wir bestimmt auch noch schneller'. Ich könnte kotzen. Kriegt der Kerl eigentlich den Hals nie voll? Noch nie sind wir zusammen so schnell gelaufen! Erst jetzt dämmert mir, was Wettkampftempo wirklich heißt: immer noch eines drauflegen und am Schluss noch einen Sprint. Ich bin fix und fertig.

Im Ziel sind diesmal tatsächlich noch Zuschauer - 'hey was macht Ihr denn noch hier? Gibts nicht schon irgendwo 'ne nette kleine Siegerehrung?' Sie jubeln und klatschen und feuern mich an, Wahnsinn! Das nehme ich allerdings wie durch Watte hindurch wahr. Ich registriere nämlich unterbewusst, dass beim Zieleinlauf der Zeitmesser nicht gepiept hat ...

Der Streckenposten schickt mich zurück - ich möge mit mein Armband erneut über den Zeitmesser... Ja was ist das denn für ein Mist? Ich bin froh, dass ich diesen Höllenspurt ohne Infarkt überlebt habe und zur Belohnung darf ich noch mal zurücklaufen? Ich möchte hier nur daran erinnern, dass es bei Spitzensportlern um Zehntel Sekunden geht und meine Zeit wird gar nicht erst erfasst ? Wie soll ich denn da im internationalen Vergleich bestehen ?

Klar hab ich geschimpft wie ein Rohrspatz. Ist ja wohl auch eine Zumutung! Und dann mischt sich auch noch  mein Trainer ein. Na, der hat mir gerade noch gefehlt. 'Die machen das hier alle ehrenamtlich, die geben hier alle ihr Bestes, die kann man nicht so behandeln, sei mal ein bisschen netter, Du bist gut gelaufen' blah, fasel, laber... Immerhin hat er mir ein bleifreies Erdinger spendiert. Ja, mein Trainer!

Und nach dem Rennen setzte er noch einen tiefenpsychologischen oben drauf: Ob ich Angst vor Streckenposten im Allgemeinen hätte? Bei jedem Streckenposten, an dem ich vorbeilaufe, würde ich langsamer werden. Nein, er hat sich anders ausgedrückt: Du läufst in geradezu devoter Haltung an den Streckenposten vorbei. Ja, warum eigentlich?
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Freitag, 14. Januar 2011

Hamburg Halbmarathon

Zicken-Terror - zum erste Mal ist mein Lieblingstrainer richtig stinkig mit mir. Natürlich hat er irgendwo Recht, aber es ging mir so schlecht, ich konnte quasi nicht anders.

Es ist Sonntag, der 27.06.2010. Bestes Wetter. Halb Hamburg ist auf den Harleys unterwegs, nur meine Maschine rostet im Keller vor sich hin und ich renne mir die Seele aus dem Leib. Was für ein Wahnsinn.

Treffpunkt: Rothenbaumchaussee mit Daniel und seinem Freund Rüdiger. Gemeinsam geht es in den letzten Bus Richtung Start an der Reeperbahn. Ich soll mich einlaufen, ziehe es aber vor, nochmal aufs Plastik-Klo zu verschwinden. Vor Wettkämpfen könnte ich alle 5 Minuten zum Klo. Ätzend.

Daniel und Rüdiger laufen vorne weg. Sie versprechen mir wieder entgegen zu kommen, sobald sie im Ziel eingelaufen sind - ist das Zuspruch oder eine Drohung? Heute weiß ich wirklich nicht so recht.

Ich laufe hinten entspannt los (.. was für eine Formulierung). Genau, wie der Trainer es befahl. Es ist heiß und die Strecke schwierig. Landungsbrücken müssen wir bergauf - zurück zur Reeperbahn. Bereits bei Kilometer 4 werde ich von einer Gruppe tief fliegender Kenianer überholt, verfolgt von mehreren Kamerateams und einer Horde Löwen warscheinlich. Wir werden ermahnt, Platz zu machen. Ich schimpfe leise vor mich hin…

Die zweite Runde klappt ganz gut und ich bin nicht die Letzte. Meine Eltern stehen mit einem riesengroßen Plakat an der Straße: Evelyn, Du schaffst das. Die beiden sind unschlagbar. Ich liebe sie.

Hinter den Landungsbrücken kühle ich mich im Wallringtunnel etwas ab. Es stellen sich neckische Schmerzen in der Achillessehne rechts ein. Versuche zu dehnen. Da überholt mich so eine Lusche und näselt mich besserwissend dümmlich an: '..zum Dehnen is' noch büschen zu früh' - was für ein Arsch.

Auf der Lombardsbrücke bin ich schon ziemlich weit abgeschlagen, die Vorletzte, spricht mich ein Streckenposten an: Ich laufe außerhalb der Zielzeit. 'Entweder gebe ich Gas oder ich höre auf.' Das geht natürlich gar nicht. Mein Trainer wird mir die Hölle heiß machen. Ich muss irgendwie ins Ziel. Kann man Abkürzen? Wahrscheinlich nicht. Außerdem ist das unsportlich. Es bleibt mir also nichts anderes übrig: Ich muss schneller laufen.

In der glühenden Sonne laufe ich immer an der Alster lang und gebe Hackengas. Ich nehme kaum wahr, wie ich meine Mitläufer überhole - einen nach den anderen. Ich denke etwa folgendes:
  • ich kann nicht mehr, 
  • ich schaff das nicht, 
  • wozu das alles, 
  • ich hör auf damit, 
  • ich arme dicke alte Frau…

In der Sierichstraße, ca. 5 Kilometer vor dem Ziel sehe ich in weiter Entfernung zwei völlig entspannte Jünglinge mit modischen Sonnenbrillen und ausgezogenem Laufshirt über der Schulter auf mich zukommen. Sie beklatschen die Läufer vor mir und feuern sie an. Finden die das witzig? Ich bin total genervt. Was glauben die eigentlich? Das ist hier doch kein Spaziergang, verdammt noch mal - wer sich bei sowas freut und diesen Exkurs auch noch wieder zurückläuft, muss pervers sein - und tatsächlich, es sind mein Trainer und sein Freund. Ist das peinlich…

Auf ihre Begrüßung kann ich erstmal nichts erwidern. Ich bin fix und fertig, total genervt, gebe Daniel die Schuld an meinem Leid, habe Angst, dass der jetzt mit mir die letzten Kilometer auch noch abreißen will, weil ich weiß, dann muss ich noch schneller laufen. Ich kann aber nicht mehr, verdammt !

Dann die sozialkompetente Höchleistung meines Trainers: „Willst Du alleine weiterlaufen?“ Halluziniere ich? Ich bin begeistert. Er hat es begriffen. Ich antworte kurz angebunden: 'Ich laufe allein weiter.' Ich bin erleichtert. Ich muss kein Gas mehr geben, nur Tempo halten.

An der nächsten Kreuzung stehen meine Eltern. Sie halten wieder dieses Riesen-Plakat hoch. Die Samba-Band fühlt sich dadurch animiert und spielt wie der Teufel heiße Rhythmen. Das ist gut - Mann, ist das gut! Meine Mutter nötigt mir eins dieser ekelhaften Bullengetränke auf. Ich nehme es dankbar an. Unglaublicher Durst. Irgendwie gibt es auf diesem Lauf zu wenig Wasser und auf jeden Fall ist es zu heiß.

Auf der Rothenbaumchaussee geht es in die Zielgerade. Ich sehe die Uhr und gebe doch noch einmal Gas. Ich muss bei 2xx ins Ziel laufen. Bloß keine 3 vor dem Komma. Und es klappt. Ich bin nicht die letzte und laufe mit 2:58 ins Ziel. Ob ich mich freue? Nein! Mein Trainer ist nicht da! Ich ahne, dass er mir die Ablehnung seiner Hilfe übel genommen hat.

Am Ziel der gleiche Scheiß wie immer. Medaillenstand ist schon abgebaut. Zumindest ist niemand da, der einem die Medaille umhängt. Getränke sind an den Ständen nicht nachgefüllt. Ist ja klar. Man ist ja auch mit voller Aufmerksamkeit bei der Siegerehrung. Körperlich am Ende und persönlich enttäuscht verlasse ich den Bereich des Bösen, setze mich ins Auto und drücke die Homing-Taste. Der Wagen findet seinen Weg von allein. Jetzt erst einmal in die Wanne. Es geht mir physisch und psychisch richtig schlecht.

Den ganzen Nachmittag und Abend warte ich auf den Anruf meines Trainers. Gehorsam hatte ich ihm meine Laufzeiten per SMS durchgegeben – aber es herrscht Funkstille. Mehrmals prüfe ich, ob das Handy auch funktioniert. Ich bin traurig und habe ein schlechtes Gewissen (wieder dieses Mädchentrauma).

Mein Lieblingstrainer ist beleidigt! Macht ein auf Mädchen! Er will so nicht behandelt werden! Hallo? Trainer? Wo ist deine Empathie? Was ist mit Sozialkompetenz? Es geht nicht primär um Dich, Daniel! Ich habe die meisten Schmerzen - hier geht’s um mich! Das bischen Gezicke wird ein Profi doch wohl aushalten können! Mein Mann hält das 365 Tage im Jahr aus und er betet den Boden an, auf dem ich gehe .. naja, fast ..

Als mir Daniel am Telefon offenbart, dass er sich über mich geärgert hat und folgende Forderungen für sein Ego stellt, habe ich erstmal entrüstet aufgelegt - innerhalb der nächsten Minuten aber wieder besonnen und zurückgerufen.

Was für Machtkämpfe laufen hier denn ab? Wie ein altes Ehepaar. Ist der Kerl überfordert?

Wir haben uns natürlich wieder vertragen. Aber nur, weil wir beide nicht nachtragend sind und an uns arbeiten. Danke Trainer!

Und ich werde besser. Nicht nur sportlich. Ich verändere mich ! Bin nahezu grade handzahm - muß ich unbedingt nachher meinem Kerl erzählen...
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Donnerstag, 13. Januar 2011

Hamburg Marathon 2010

Was habe ich trainiert! Die ganze Wintersaison über Eisschollen, bei minus 10 Grad, durch Matsch und die letzten 8 Wochen jeden Sonntag einen langen Lauf. Und da ich ja nicht die Schnellste bin, kostet mich ein langer Lauf immer mindestens 4 Stunden meines Lebens. Diverse Laufeinheiten habe ich auch mit meinem Lieblingskollegen Thomas absolviert. Auf Dienstreisen, in fremden Städten sind wir morgens im Dunkeln durch manch fremden Park gestolpert. Gott sei Dank hat der Mann einen guten Orientierungssinn. Ob ich allein auch immer zurück gefunden hätte darf stark bezweifelt werden.

Wir Wahnsinnigen verabreden uns Sonntags morgens, 6:30 Uhr und rennen durch irgendeinen blöden Wald. Während andere gemütlich die Woche ausklingen lassen und den Schlaf der Gerechten schlafen, renne ich leise wimmernd und schimpfend durch die Taiga. Aber seltsamerweise erscheint es mir schön - sobald es vorbei ist. Ich glühe wie Jean D'Arc, wenn ich einen weiteren Schneesturm bezwungen habe. Mit Thomas zu laufen ist angenehm. Ich kann ihn gut neben mir ertragen. Das ist wie auf Arbeit. Er quatscht nicht und vor allem: Er meckert nicht mit mir!

Aber jetzt ist Marathon-Tag. Ich bin wieder so aufgeregt , dass ich schon eine Woche vor dem Termin mit Fieber und einem Magen-Darm-Infarkt darnieder liege. Ab den Stichtag, an dem alle anderen Marathonis Kohlehydrate in sich hinein stopfen (heavynudeloverdoseday), behalte ich nix bei mir. Erst ab Donnerstag gibts das erste Mal wieder feste Nahrung und am Sonntag starte ich tatsächlich.

Minna und Thomas kommen morgens zu mir. Ich habe mein gesamtes Rennhasen-Equippment am Tag vorher schon zurecht gelegt. Den Zeitmesser an die Schuhe gefrickelt, die Startnummer ans Trikot und die Gels rausgelegt. Und dann fängt der gallopierende Wahnsinn noch in meiner Bude an. Minna fragt, ob ich meine Daten auf die Rückseite meiner Startnummer geschrieben habe. Was für Daten und wieso? Ich laufe doch gar nicht alleine, gehe also nicht verloren und Thomas und Minna sind doch die ganze Zeit bei mir! Aber meine Freundin ist überzeugt, es gäbe nichts wichtigeres, als dieses Datenblatt auszufüllen. Na gut. Soll sie. Sie ist halt Mutter und kann aus ihrer Haut nicht raus, denke ich – und wer weiß, wofür es gut ist.. Die kleine Evelyn hat sich verlaufen und sucht ihre Mutti ! Die kleine Evelyn kann am Besenwagen abgeholt werden ...

Die U Bahn ist völlig leer. Ich frage nach, ob wir wirklich den richtigen Tag erwischt haben. Letztes Jahr standen wir dicht gedrängt in der U-Bahn. In diesem Jahr sind wir so spät dran, dass alle schon am Start sind! Am Heiligengeistfeld bleibt nur noch Zeit fürs Klo.

Und da fällt es mir auf: Meine Startnummer ist weg! Sie liegt in Thomas Wäschesack! Na, so ein Dreck. Ich werde nervös und suche Thomas. Nur noch 5 Minuten Zeit. Minna hält mich fest und schreit mich an, wie man ein kleines Kind vielleicht anschreit (wenn man anschreit). Ich soll mich jetzt endlich zusammenreißen. ...was geht hier denn ab? Thomas kommt und hat eine Startnummer für mich. Noch mal ganz schnell aufs Plastik-Klo.

Minna und Thomas entscheiden, unseren Startblock nicht weiter zu suchen, sondern von der Seite einzusteigen. Nun starte ich mit Läufern, die eine Zielzeit von 3:30 anpeilen. Das ist Wahnsinn ! Ich fühle mich schlecht.

Ich laufe im falschen Startblock los und bin für diese Athleten natürlich eine Leistungsbremse. Das ist unsportlich. Tut mir leid. Und ich bin wieder zu schnell. 7,00 Minuten auf den Kilometer. Die Vorgabe des Trainers waren 8,20 Minuten. Aber es läuft zunächst trotzdem ganz gut. Minna bemuttert mich. Ihr Mann folgt uns per Fahrrad und hat unsere Verpflegung dabei. Minna duppt mich wieder an, weil sie zu dicht aufläuft. Das kann ich gar nicht haben ! Ich bin genervt und zu heiß ist es auch. Als wir die Alster erreichen, läuft Thomas neben mir her. Ich atme leicht und tief durch. Das ist fast angenehm ...

Höhe Zimmerstraße schließt Hobbypsychologin Minna wieder auf und macht mich mit dem folgenden Satz völlig wuschig: 'wir kommen jetzt gleich an die Stelle an der Du das letzte Mal aussteigen musstest. Da macht Dein Körper gleich komische Sachen mit Dir.'

Was soll dass den? Soll ich mich jetzt schon mal drauf freuen ? Eine psychologische Glanzleistung. Ich weiß, Du meinst es gut - Empathie?

Am Kilometer 23 jubelt uns Thomas Familie zu. Sein kleiner Sohn ist ganz aufgeregt und seine Frau hat sich trotz Schwangerschaft mit Bus und Bahn auf den Weg gemacht. Danke Ihr Lieben!

Kilometer 25 jubelt meine Familie und die Freunde. Wir sind zwar schon wieder ziemlich die letzten, aber noch guter Dinge. Alles wird gut…

Und dann geht es los: Ab Kilometer 26 Muskelkrämpfe im rechten Oberschenkel. Tut das weh, verdammt ! Gelockert, massiert und weitergelaufen. Aber die Krämpfe kommen immer wieder. Nur nicht nachlassen jetzt. City Nord wird die NDR-Bühne bereits abgebaut, als wir gerade vorbei kommen. Danke NDR - Ich werde zu den privaten wechseln.

Alsterdorf am Kilometer 28 kommt die Erkenntnis während meines 15. Muskelkrampfes: das wird nix. Ich laufe trotzdem weiter. Der Höhepunkt an diesem Tag war dann der Streckenposten, der mir bei Kilometer 29 einen Platz im Bus anbot. Danke Streckenposten! Auch das eine psychologische Großtat. Ich gebe auf !

Für mich steht fest, dass ich mit diesem Wahnsinn aufhöre. Ich bin bis Kilometer 31 gekommen. Dort steht noch einmal meine Familie und die Freunde. Ich muß mir auch hier noch ein paar Sprüche anhören:
  • Lauf doch weiter.
  • Sind nur noch 11 Kilometer.
  • Daniel wartet dahinten 

Und was soll ich sagen: ich bin noch einmal losgelaufen. Vielleicht hätte ich es tatsächlich geschafft. Wer weiß? Tatsache ist, dass eine Peterwagenbesatzung mich nicht gerade freundlich darauf hinweist, dass ich außerhalb der Maximalzeit laufe und entweder gäben wir jetzt Gas oder wir müssten eben auf den Bürgersteig. Danke, Ihr Freunde und Helfer!

Ich schlepp mich in die U-Bahn und lass mich nach Hause rütteln. Hätten mich die Polizisten nicht derart madig gemacht - ich wäre weitergelaufen. Aber Regeln sind halt Regeln.

Zu Hause erstmal in die Wanne und immer schön warm nachlaufen lassen. Es gibt nichts besseres nach Niederlagen. Auf den Anruf von Minna hätte ich dann doch verzichten können. Sie macht mir wenig aufmunternde Vorhaltungen. Noch während des Telefonats, in der Wanne liegend, völlig erschöpft, beschließe ich, Minna die Freundschaft aufzukündigen. Ich habe bis heute keinen Kontakt mehr zu ihr, auch wenn ich mich manchmal frage, ob das wirklich angemessen war. Ich bin halt ein Radikalinski...

Sie werden sich vielleicht fragen, wo mein Trainer war? Nun, ein echtes Highlight der Kerl und an dieser Stelle bedanke ich mich ganz herzlich für seinen Einsatz und seine Anteilnahme. Er war da! Nachdem er den Marathon in 3:39 durch hatte, macht mein Lieblingstrainer eine Halse und erwartet mich bei Kilometer 32. Von dort aus wollte er mit mir die letzten 10 Kilometer bis ins Ziel laufen. Ist er nicht süß ?

Das Schlimmste an einer Niederlage sind immer die folgenden 14 Tage, in denen ich mich regelmäßig frage, ob die Entscheidungen richtig waren - wieder so ein Frauending. Wenn mein Mann mal etwas entschieden hat (z.B. den Müll jetzt nicht raus zu bringen) bleibt er konsequent dabei und hinterfragt nicht, wie andere sich dabei fühlen. Die müssen dann eben da durch.

Seit diesem Wettkampf mache ich Mentaltraining. Darüber erzähle ich demnächst mehr - ich sage nur Hokuspokus.

Und was war mit Thomas? Er ist die letzten 11 Kilometer mit Hackengas gelaufen und mit 5:57 ins Ziel. Glückwunsch! Ich freu' mich für dich - Ziel erreicht.
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Hoisbütteler Hasenlauf 2010

Du überrundest mich heute nicht 2mal! Mit dieser Motivation stehe ich im März am Start. Es ist arschkalt und ich bin zu 10km angemeldet und mein Lieblingstrainer zum Halbmarathon - also 2 Runden. Wir 10km-Luschen dürfen 10 Minuten früher starten.

Wegen exzellenter Vorbereitung und meiner Fortschritte in den vergangenen Monaten, bin ich zwar immer noch aufgeregt am Start, aber hoch motiviert und fühle mich fit. Ungefähr bei Kilometer 3 überholt mich mein Lieblingstrainer und meldete im Vorbeilaufen: 'Heute überhole ich Dich 2mal!' - Denkste, mein Lieber !

Diesmal bin ich nicht die Letzte. Den drei Schnecken da vor mir bin ich schon dicht auf den Fersen. Die Mädchen sehen nicht nur schwächer aus als ich, sie biegen auch bei Kilometer 4 in diese alberne 5-Kilometer-Uschirunde ab. Also laufe ich doch alleine weiter und natürlich wieder als letzte.

Und dann sehe ich sie! Zwei Uschis, die quatschend nebeneinander her laufen. Bei Kilometer 6 habe ich sie überholt und eins ist klar: nie mehr als Letzte ins Ziel!

Eine Knüppelstrecke, bergauf, bergauf, weiter bergauf und nur bergauf über Pferdeacker und Reitwege. Ab Kilometer 8 immer mit einem Blick nach hinten, ob wohl gleich der Trainer ein zweites mal vorbeikommt. Aber wer sagts denn - er hat mich nicht ein weiteres mal überholt! 1:18 - Bestzeit!

Ob das Absicht war? Sollte mich seine Drohung nur anstacheln? Zuzutrauen ist es ihm. Aber das wäre dann schon erschreckend, wie er mich manipuliert. Der Sieg findet also tatsächlich im Kopf statt - so what, Kopf habe ich ja.
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Mittwoch, 12. Januar 2011

Airportrace Hamburg 2009

Kennen Sie das? Jemand läuft neben Ihnen und duppt Sie regelmäßig an, weil er viel zu dicht aufläuft? Minna macht das z.B. Kann ich ja nicht haben, sowas! Und da ich beim Laufen nicht gerade die bestgelaunteste Freundin bin, ist die Tragödie vorprogrammiert.

Der Airportrace - lächerliche 16km - war wieder eine echte Prüfung für mich. Nicht mal unbedingt ausdauertechnisch, sondern eher wegen der mentalen Last, wieder als Schlusslicht einzulaufen. Anderen, besseren Sportlern, wie z.B. der Minna, macht das nicht nur nichts aus, sie haben auch gleich noch gute Ratschläge parat:
  • Wer sonst läuft schon so weit wie du
  • schau auf das, was Du bereits erreicht hast
und ähnliche Plattitüden. Die haben natürlich gut reden, sie wissen ja auch, dass sie jederzeit schneller und besser könnten. Ja könnten, wenn sie nicht so einen lahmen Ackergaul neben sich hätten, der durch das zusätzliche Gewicht zweier voller Bierkästen gebremst wird, die er bauartbedingt mit sich herumschleppt …

Selbstverständlich war ich wieder die letzte im Ziel. Und selbstverständlich war auch alles bereits abgebaut. Keine Zeitmessung - keine Medaille - keine Urkunde! Alles weggeräumt. Das beste war, dass im Zieleinlauf ein blöder Ford-Transit quer im Weg stand und wir darum herum turnen mussten. So ein Auto kommt mir nicht mehr ins Haus! Dank meiner schlechten Laune und einem daraus resultierenden bühnenreifen Auftritt hat sich die Veranstaltungsleitung dann doch noch um meine persönliche Medaille und eine Urkunde bemüht.

Hier habe ich mich auch zum widerholten Mal gefragt, was die Krankenkassen eigentlich auf solchen Veranstaltungen machen. Sie verkaufen fettige Bratwurst, überzuckerte Getränke und beklatschen die Gewinner - für diejenigen, die gerade erst angefangen haben und wo sich die Motivation lohnen würde, bleibt nichts übrig - und dafür geben sie die Gelder ihrer Beitragszahler aus. Die meisten, die auf solchen Veranstaltungen herumlungern, treiben ja bereits Sport und brauchen nicht extra motiviert werden.

Aber ich hatte auch nette Erlebnisse. Mein Mann und einige Freunde standen an der Rennstrecke und feuerten mich an. Daniel, den ich damals erst zwei Wochen kannte, war mit seiner Rike gekommen und lief ein Stück mit mir mit. Das war Balsam für meine geschundene Seele.

Manfred und Margret haben mich sogar die letzten sechs Kilometer auf ihren Fahrrädern begleitet. Auch wenn Manfred mit seinen buschikosen Bemerkungen ab und zu daneben haut: ich weiß ja wie er es meint …
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Hamburg Marathon 2009

Um es gleich vorweg zu nehmen: der Hamburg-Marathon 2009 hat eine Schneise der Verwüstung in mein keimendes Sportler-Selbstbewusstsein geschlagen.

Unterstützt von meiner damaligen Freundin, ich nenne sie mal Minna, und meinem Lieblingskollegen Thomas sollte hier unsere Zielvereinbarung eingelöst werden. Vorbereitet durch viele Stunden Training auf dem Crosser, war ich ziemlich sicher das Ding schon schaukeln zu können.

Allerdings hatte ich nur einen einzigen langen Lauf von albernen 23 km absolviert und mangels Leistungsdiagnostik wahrscheinlich auch in völlig falschen Pulsbereichen. Trainingsanreize kannte ich nicht und Pausen waren auch nicht geplant. Nie qäulte ich mich an irgendeine Leistungsgrenze heran. Das Wort Tempotraining passte nicht in meinen Wortschatz - tut bestimmt weh - Hauptsache easy.

So vorbereitet fühlte ich mich auch noch sicher! Unter anderem deshalb, weil ich bei meiner Freundin und ihren jahrelangen Wettkampferfahrungen nicht so falsch liegen konnte - tssz, tssz.

Optimistisch stellen wir uns also in den Startblock für 5:30. Ich bitte Thomas wegen seines Leistungsvorsprungs schon mal vorweg zu laufen. Er hat sich Gott sei Dank auch drauf eingelassen.

Gemeinsam mit Minna renne ich los. Bereits an der ersten Wasserstelle ist klar: das wird nix! Völlig abgeschlagen laufen wir vorbei an Streckenposten und Wasserstellen, die bereits mit dem Abbau beschäftigt sind. Landungsbrücken kippen sie uns zwei Tische mit gefüllten Wasserbechern direkt vor die Füße.

Was für eine Schmach ... mental ist das die Hölle! Und die Zuschauer beklatschen natürlich auch nur die 'Guten'. Für das Schlussfeld sind die Zuschauer entweder schon abgereist oder so betrunken, dass sie nur noch abfälligen Bemerkungen übrig haben.Sieht ja auch nicht so toll aus, wenn zwei Schnecken sich mühevoll über den abfallgeschwängerten Asphalt quälen.

Dass man von der Begeisterung der Zuschauer über diese lange Strecke getragen wird, mag für die ersten ja durchaus gelten. Hier hinten bei uns kommt allerdings nix mehr an, niente, null. Sehr sportlich liebe Sportfans !

Die sind ja alle so gemein zu mir !

Und dann begehe ich einen Fehler. Auf Anraten von Minna walken wir ab Kilometer 12. Ein völlig anderer Bewegungsablauf! Na, das wäre ja was für den Walker-Hasser Archillis! Ab Kilometer 22 jedenfalls ist Schluss. Saarlandstraße habe ich straußeneiergroße Blasen unter den Füßen und diffundiere peinlich berührt in den Sanitätsbus. 'Alten Wöhr' steige ich allerdings gleich wieder aus, denn hier werde ich von meiner Familie und meinen Freunden in Empfang genommen. An dieser Stelle meinen herzlichsten Dank dafür, dass sie gekommen sind, mich unterstützt haben und stolz auf mich sind. Tröten, Rasseln und das ganze Zeugs, daß mir bisher vorenthalten wurde.

Mein einziger Trost: auch Thomas schafft die 42 km nicht ganz. Zu wenig trainiert, der Gute. Bei Kilometer 31 muß er wegen Muskelkrämpfen abbrechen. Obwohl ich es ihm natürlich von Herzen gönnte (herrlicher Konjunktiv, nicht wahr), aber damit bekomme ich eine zweite Chance!

Nach diesem Desaster war klar: Ich brauche professionelles Lauftraining. Ich brauche einen, der mir zeigt, wie es funktioniert.

Tja, und dann lese ich im Mai 2009 in unserem Käseblatt diese Annonce: Daniels Runnershigh. Lauftrainer für Anfänger und Fortgeschrittene. Ich weiß noch: In der Annonce stand 'Netter Typ'. Na ja. Wenn man nicht gerade mit ihm läuft ...

Bis September dauert die Entschluss-Umsetzung - dann schicke ich dem Daniel eine Mail, schildere ihm kurz meine bisherige 'Sportlerkarriere', dass ich eigentlich eine Lusche bin aber trotzdem den Hamburg-Marathon laufen will. Seine Antwort: 'Ja, ich nehme die Herausforderung an.' Seit damals lasse ich mich von Daniel auf hohem Niveau drangsalieren – und wehe das wird wieder nichts !
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Dienstag, 11. Januar 2011

Erster Wettkampf: Warnemünde 2008 / 10km

Mein Kollege Thomas und ich hatten folgenden Plan:

  • im April diesen 10 km-Lauf in Warnemünde
  • im Dezember einen Halbmarathon und dann
  • im April 2009 den Hamburg-Marathon

Soviel zur Theorie…

Daniel kannte ich zu der Zeit noch nicht. Das Referat über die Fehler, die ich immer so mache, blieb mir also erspart. Am Abend vor dem Lauf sind wir in Rostock angereist, haben ausgiebig gegessen und natürlich auch kräftig getrunken - das machen Thomas und ich immer, wenn wir unterwegs sind. Morgens im Hotel habe ich vor lauter Nervosität bereits keinen Bissen runtergekriegt. Vielleicht hatte ich auch zu viel geistige Getränke? Wer weiß..

Besser nüchtern als mit Übelkeit im Bauch an den Start gehen, dachte ich mir. Sportlernahrung, wie Gels oder Power-Riegel, kannte ich damals auch noch nicht. Auf dem Weg zum Start dann auch noch ein Beinahe-Zusammenstoß mit einem Schäferhund, der unser Sportlerradar unterflog – das geht gar nicht! Niemand hätte uns das abgenommen. Wir treten wegen eines Ost-Köters nicht zum Wettkampf an. Scheiß Ausrede.

Wegen der Kälte hatte ich mich natürlich auch viel zu mollig eingepackt (typisches Mädchenproblem) und mich ganz hinten an den Start gestellt (selffilling phrophety). Puls im Stand: 146 – und selbstverständlich bin ich viel zu schnell losgelaufen.

Mit gedrosseltem Tempo ging es Richtung Leuchtturm. Nach ~ 500 Metern kamen mir die ganz Schnellen bereits wieder entgegen. Halse am Leuchtturm und zurück Richtung Wald.

Ab Waldgrenze wurden zwei Runden gelaufen. In Sichtweite sah ich die ersten Irren bereits die zweite Runde laufen. Das war der Moment ~ Kilometer 3, wo ich aufhören wollte. Hätten sich da nicht völlig überraschend meine Eltern mit einem riesigen Motivations-Transparent plaziert - ich bin sicher, ich hätte mich heulend in den Sand fallen lassen. So angefeuert hab' ich selbstmurmelnd bis zum Schluß durchgehalten.

Mit dem Besenrad an einer Seite und meinen Eltern an der anderen, die mich an den unterschiedlichsten Punkten anfeuerten und motivierten, erreichte ich doch tatsächlich das Ziel - was für ein Höllenritt. 1:36 war meine Zeit. Natürlich war man bereits beim abbauen... Wenn meine Eltern und Kollegen nicht interveniert hätten, wäre ich nicht nur als letzte ins Ziel, ich hätte auch gar nicht bemerkt wo das Ziel mal war... das gibt intensivste Gefühle der unsportlichen Art !

Ob ich mich gefreut habe? Nicht eine Sekunde. Ich war einfach nur froh, dass es vorbei war. Obendrein war mir wirklich alles nur noch oberpeinlich. Selbst wenn Freunde und Bekannte mir gegenüber ihre Hochachtung ausdrückten, war es mir immer noch peinlich.

Den Halbmarathon konnte ich übrigens nicht mitlaufen - war krank: Monte Zumas Rache. War es die Aufregung oder die Angst vor mehr Peinlichkeiten? Ich will es gar nicht mehr wissen.
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Montag, 10. Januar 2011

Wettkampf - allgemein und im besonderen..

Menschen, die keine Prüfungsangst haben, werden das nicht verstehen und Menschen, die mich kennen, werden nicht verstehen, warum ausgerechnet ich solche Probleme mit Wettkämpfen habe. Dazu muss man vielleicht noch sagen, dass mir nicht nur der offizielle Sport-Wettkampf mit Startnummer und dem ganzen Gewese den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Ich empfinde jedes Training als persönliche Prüfung und besonders zerrt jeder diese scheißlangen Läufe an meinem Nervenkostüm.

Unangenehm für meine direkte Umgebung jedoch ist, daß ich in Wettkampfsituationen richtig schlechte Laune verbreite. Ich könnte meinen Mitmenschen gelinde gesagt in die Fresse hauen, nur weil die Rennerei mir die letzten Reserven abfordert und ich trotzdem so unsagbar schlecht bin. Mein Lieblingstrainer kann ein Lied davon singen. Er ist bemüht - wie sagt er immer - 'einen besseren Menschen aus mir zu machen'.

Ich bin in anderen Disziplinen Wettkampfsituationen durchaus gewohnt und komme darin meist zu durchaus respektablen Ergebnissen – nur eben nicht im Sport. Wenn ichs so recht bedenke bin ich eigendlich ein erprobter Widerstandskämpfer!

Ich habe in Brokdorf gegen Atomkraft demonstriert, bin am Tag der Arbeit in der vordersten Reihe gelaufen, direkt neben dem kommunistischen Wecker und meine gesamte berufliche Laufbahn ist durch ausprobieren, anders- und bessermachen am besten beschreibbar. Und nun kommt so ein Jungspund daher und macht mich durch ein bischen körperliche Anstrengung zum duldsamen und schweigsamen Mitläufer – igitt ! Da erkenn' ich mich so gar nicht wieder.

Ich möchte, dass Sie alle an meinen bescheidenen Wettkampferfahrungen teilhaben. Diese Erfahrungen richten sich insbesondere an diejenigen Mitmenschen, die als unbedarfte Helfer wertvolle ehrenamtliche Hilfe leisten, aber eine Schneise der Verwüstung im Selbstwertgefühl des sportlichen Anfängers zurücklassen. Sie richten sich aber auch an diejenigen Sportler, die sich regelmäßig abfällig über mich und meinesgleichen äußern. Dieser selbstherrliche Achim Achilles sei hier nur erwähnt, der mit einer beispiellosen Arroganz die Meinung verbreitet, dass Menschen, die für den Marathon länger als 4 Stunden benötigen, in dieser Sportart nix zu suchen haben.

Tolle Wurst, Herr Archillis. Ihr erster Lauf war sicher weit unter 2 Stunden. Wie fühlt man sich denn so als hungriger Afrikaner unter übergewichtigen Europäern ? Was für ein Sack !
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